Dr. Christine Arbogast und Boris Palmer: Rechtsstaat und Humanität vereinen
Pressemitteilung vom 23.12.2015
Nach den Presseberichten über den Fall der angeblich drohenden Abschiebung einer Familie mit zwei Kindern haben die zuständige Bürgermeisterin Dr. Christine Arbogast und Oberbürgermeister Boris Palmer die Akten gesichtet und die Möglichkeiten der Stadt geprüft.
Festzuhalten ist, dass keine Abschiebung der Familie angeordnet wurde und voraussichtlich auch nicht droht, weil Abschiebungshindernisse vorliegen. Die Ausländerbehörde der Stadt hat lediglich eine Ausreiseanordnung erlassen. Über deren Wirkung muss zunächst das Verwaltungsgericht in Sigmaringen entscheiden.
Nach geltender Rechtslage konnte die Tübinger Ausländerbehörde nicht anders entscheiden, als die beantragte Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung abzulehnen.
Das erscheint zunächst schwer einsichtig, weil alles dafür spricht, die Familie hier im Land zu halten. Sie verdient ihren Lebensunterhalt selbst, die Kinder sind hier geboren und gehen zur Schule, die Familie spricht Deutsch, sie ist sozial gut integriert. Das zeigt auch die große Zahl an Fürsprechern, die sich bereits an die Stadtverwaltung gewandt haben. Weil solche Fälle mittlerweile zahlreich auftreten, wurde das Aufenthaltsgesetz erst im August 2015 aufgrund einer Bundesratsinitiative aus Baden-Württemberg geändert. Die Familie erfüllt alle Voraussetzungen des neuen §25b.
Der Grund, warum die Ausländerbehörde dem Familienvater trotz dieser eigentlich passgenauen Gesetzesänderung eine Ausreiseanordnung erlassen musste, liegt in einem unbestrittenen und gravierenden Fehlverhalten des Familienvaters. Dieser war 2001 nach Deutschland gekommen und beantragte mit falschen Personalien und unter der ebenfalls falschen Angabe, die Staatsangehörigkeit der Republik Togo zu besitzen, Asyl. Hätte er seine wahre Identität als Staatsangehöriger des Königreichs Benin offenbart, hätte dies Einfluss auf seinen Asylantrag und damit auf seinen Aufenthalt in Deutschland gehabt.
Im §25b heißt es nun: „Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist zu versagen, wenn der Ausländer die Aufenthaltsbeendigung durch vorsätzlich falsche Angaben, durch Täuschung über die Identität oder Staatsangehörigkeit oder Nichterfüllung zumutbarer Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen verhindert oder verzögert.“
Es ist offensichtlich, dass genau dieser Fall hier vorliegt. Die Entscheidung hat die städtische Behörde zudem mit dem Regierungspräsidium Tübingen abgestimmt. Das Regierungspräsidium hat die Rechtsauffassung der Tübinger Ausländerbehörde bestätigt. Ein Ermessensspielraum zugunsten der Familie liegt bei der Stadt nicht vor. Daher können weder die Erste Bürgermeisterin noch der Oberbürgermeister die Ausreiseanordnung zurücknehmen.
Dennoch sind sich Dr. Christine Arbogast und Boris Palmer einig, dass das Wohl der Kinder eine Ausreise des Vaters verbietet und eine politische Lösung zugunsten der Familie gefunden werden muss.
Dafür gibt es zwei denkbare Wege: Der Fall liegt aktuell beim Verwaltungsgericht Sigmaringen. Es wird im Eilverfahren die vom Rechtsanwalt der Familie geltend gemachten Gründe prüfen. Sollte das Gericht sich zugunsten der Familie äußern (eine Entscheidung in der Hauptsache ist derzeit nicht möglich), so könnte dies der Stadt erstmals einen Ermessensspielraum verschaffen. In diesem Fall wird die Stadt der Familie eine Aufenthaltserlaubnis erteilen.
Sollte das Verfahren in Sigmaringen für die Familie negativ ausgehen, kann die Stadt selbst der Familie nicht helfen. Wenn das rechtliche Verfahren abgeschlossen ist, und nur dann, besteht allerdings die Möglichkeit, die Härtefallkommission des Landtags einzuschalten. Dies hat die Stadt dem Rechtsanwalt der Familie bereits dargelegt. Arbogast und Palmer sichern der Familie zu, dass sie sich in diesem Fall politisch bei der Härtefallkommission dafür stark machen werden, ihr ein dauerhaftes Bleiberecht zu erteilen:
„Wir müssen rechtsstaatlich korrekt handeln, wollen dabei aber menschliches Augenmaß walten lassen. Wir bitten die Familie und ihre Freunde um Verständnis dafür, dass wir vor einem Dilemma stehen, das sich nicht einfach auflösen lässt. Was wir zur Lösung beitragen können, werden wir tun.“
Pressestelle der Universitätsstadt Tübingen