Bundesregierung lehnt Plakettenpflicht für motorisierte Zweiräder ab
Pressemitteilung vom 07.10.2016
Die Verkehrsministerkonferenz der Länder sucht derzeit nach Wegen, die nach wie vor gesundheitsgefährdende Schadstoffbelastung der Luft in den Städten zu verringern. Den Vorschlag des Landes Baden-Württemberg, durch Einführung einer blauen Plakette nur noch Fahrzeuge mit wirksamer und moderner Technik in Luftreinhaltegebiete einfahren zu lassen, lehnt Bundesverkehrsminister Dobrindt ab. Auch künftig soll es nach der Vorstellung der Bundesregierung keine Umweltplaketten für Mopeds und andere Zweiräder geben. Dies steht in einer Antwort aus dem Bundesverkehrsministerium an Oberbürgermeister Boris Palmer (siehe Schreiben in der Anlage).
Der OB hatte im Auftrag des Gemeinderates an Minister Dobrindt appelliert, sich für eine Plakettenpflicht einzusetzen, um die Schadstoffe in der Atemluft zu verringern. Begründet hatte der Gemeinderat den Vorstoß mit einer Prognose des Umweltbundesamtes, das eine Hauptquelle der Luftschadstoffe in den völlig ungereinigten Abgasen von Mopeds und Rollern sieht. Motorisierte Zweiräder werden, so nun auch das Bundesverkehrsministerium, schon bald für 15 Prozent der Feinstaubemissionen in Städten verantwortlich sein. Eine Studie aus der Schweiz hat ermittelt, dass Roller mit Zweitaktmotor bis zu 700 Mal mehr Luftschadstoffe ausstoßen als ein modernes Auto.
OB Boris Palmer ist über Dobrindts Untätigkeit empört: „Die EU droht uns mit Strafzahlungen. Die Landesbehörden drohen uns mit Straßensperrungen. Eine ganze Bürokratie bedrängt die Fahrer von Autos. Und die größten Luftverschmutzer dürfen gleichzeitig unbehelligt weiter die Luft verpesten und die Städte verlärmen. Das ist ungerecht und unverständlich.“
In Tübingen hatte das Regierungspräsidium in der zweiten Fortschreibung des Luftreinhalteplans Tempo 30 in der Tübinger Innenstadt verordnet. Als Begründung diente eine rechnerische Verringerung der Schadstoffemissionen um ein Prozent. Dies führe zu einer Pflicht zur Umsetzung der Maßnahme.
Für die Tübinger Innenstadt zeigen überschlägige Rechnungen auf, dass motorisierte Zweiräder etwa denselben Anteil an giftigen Luftschadstoffen haben können wie der städtische Busverkehr. Die Busse befördern allerdings hundertmal mehr Personen. Für OB Palmer führen deshalb die öffentlichen Hinweise des Bundesverkehrsministers, die Städte sollten den Busverkehr sauberer machen, in die Irre. Palmer: „Solange die größten Luftverpester überhaupt nicht erfasst sind, kann die Lösung nicht darin bestehen, ausgerechnet dem öffentlichen Verkehr den schwarzen Peter zuzuschieben.“
Angesichts der weiter bestehenden Probleme mit der Luftreinhaltung und zu erwartenden Verschärfungen von Auflagen bis hin zu Straßensperrungen erwägt Palmer nun eine Klage wegen Untätigkeit gegen den Bund: „Ich halte es für rechtlich bedenklich, wenn der Bund die Last der Luftreinhaltung einseitig den Autofahrern zuschiebt und den Städten scharfe Vorschriften macht, aber einfache und schnell wirksame Maßnahmen nicht erteilt und nicht erlaubt. Dies kann nicht im Einklang mit den EU-Vorgaben sein.“
Anlagen
Schreiben von OB Palmer an Verkehrsminister Dobrindt vom 3. August 2016
Schreiben von Staatssekretär Norbert Barthle, MdB vom 22. September 2016
Pressestelle der Universitätsstadt Tübingen