Objekt des Monats im Stadtmuseum: Kleine Kölner Goldwaage aus dem Besitz Adolf Dessauers
Pressemitteilung vom 03.11.2016
Eine kleine Kölner Goldwaage aus dem 18. Jahrhundert zeigt das Stadtmuseum im November in seiner Außenvitrine. Sie wurde um 1750 aus Birnenbaumholz, Messing, Stahl und Kordeln gefertigt und gehörte einst dem Tübinger Adolf Dessauer. Die Waage soll bald an dessen Nachfahren zurückgegeben werden.
Das Stadtmuseum betreibt seit April 2015 Provenienzforschung: Es recherchiert die Vorbesitzer und die Verkaufsumstände von Gegenständen in der Sammlung, um mögliche Enteignungen oder Veräußerungen unter Druck des nationalsozialistischen Regimes aufzudecken. Auf die kleine Kölner Goldwaage aus dem Besitz Adolf Dessauers wurde man schon bei Stichproben im Mai 2015 aufmerksam. Die Umstände des Verkaufs für gerade einmal zehn Reichsmark am 11. Oktober 1939 sind nicht mehr in Gänze rekonstruierbar. Das als Familienerbstück einzustufende Objekt hätte zu diesem Zeitpunkt noch an Familienmitglieder in Tübingen oder Stuttgart übertragen werden können. Daher wird angenommen, dass es unter Druck veräußert wurde. Das Stadtmuseum Tübingen hat sich daher entschlossen, die Waage den Nachfahren Adolf Dessauers zurückzugeben. Die Restitution wird voraussichtlich Ende 2016 oder Anfang 2017 stattfinden.
Die Familie Dessauer stammt ursprünglich aus Wankheim. Die Brüder Adolf und Jakob Dessauer wurden dort in den 1850er-Jahren geboren. Sie zogen nach Tübingen und leiteten ein Optikerfachgeschäft unter dem Namen „Gebrüder Dessauer“ – zunächst in der Neckargasse 2, bis 1914 dann im Erdgeschoss ihres Wohnhauses in der Uhlandstraße 16. In den oberen beiden Etagen lebten die Brüder mit ihren Familien. Jakob Dessauer starb 1905. Adolf Dessauer lebte bis zu seinem Tod in der Uhlandstraße, wenn zuletzt auch als einziges Mitglied seiner Familie und nur noch zur Miete: Anfang 1939 musste er sein Haus verkaufen, weil jüdischen Mitbürgern der Grundbesitz verweigert worden war. Am 30. November 1939 verstarb Adolf Dessauer im Alter von 87 Jahren. Von seinen drei Töchtern und zwei Söhnen, die alle in Tübingen geboren waren, hat nur eine Tochter den Holocaust überlebt.
Hinweis für die Medien
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Pressestelle der Universitätsstadt Tübingen