Vorrang für Fahrräder auf der Neckarbrücke
Pressemitteilung vom 24.07.2019
Die Verbindung zwischen Südstadt und Universität über Neckarbrücke und Mühlstraße ist die wichtigste Radachse in Tübingen. Nirgendwo sonst sind mehr Fahrräder unterwegs. An Spitzentagen sind es bis zu 10.000 Räder. Mit dem Umbau des Zinser-Dreiecks konnte die Karlstraße als Engpass im Radwegenetz beseitigt und zu einer Fahrradstraße umgebaut werden. Mit dem Umbau der Mühlstraße wurde ein Parkstreifen abgeschafft und zu einem Radbereich umgebaut (der leider oft illegal zugeparkt wird). Die Neckarbrücke hat zwar ein separates Fahrradangebot erhalten, aber der schmale Streifen zwischen Bussen und Autos wird zu Recht als verunsichernd und unkomfortabel kritisiert.
An dieser kritischen Stelle eine Verbesserung zu erreichen, ist Inhalt eines Antrags der Fraktion AL/Grüne, der am Dienstag im Gemeinderat bekannt gegeben wurde. Die stärkste Fraktion im Tübinger Gemeinderat denkt noch weiter und will auch in der Wilhelmstraße, in der bisher gar kein Radangebot besteht, bevor an der Neuen Aula ein Radweg auf dem Gehweg abzweigt, ein eigenes Radverkehrsangebot schaffen: komfortabel und sicher durch die ganze Innenstadt auf der zentralen Achse.
Oberbürgermeister Boris Palmer sagte zu, dass die Verwaltung schon nach den Sommerferien für eine Probephase von zwei Monaten die Verkehrsführung auf der Neckarbrücke zu Gunsten des Radverkehrs verändern wird. Das ist angesichts der engen Platzverhältnisse nur möglich, wenn dem Autoverkehr eine Spur entzogen wird. Die mittlere Spur, die bislang erlaubte, von Süden kommend geradeaus in die Mühlstraße zu fahren, wird in der Probephase zu einem Zweirichtungs-Radweg umgebaut.
Das bedeutet für die Radfahrer: In beide Richtungen, bergab und bergauf, besteht ein durchgängiger Radweg in der Mitte der Brücke mit ausreichender Breite von 1,5 Metern je Richtung. Der Preis für diese Verbesserung ist aber, dass Autofahrer bergauf nur noch die rechte Spur benutzen können, auf der sich auch die Bushaltestelle befindet. Das ist heute schon erlaubt, aber nur für Rechtsabbieger in die Gartenstraße. Die Verwaltung hat geprüft, ob die rechte Spur auch für die Weiterfahrt in die Mühlstraße genutzt werden kann. Das ist aber nicht möglich, weil dann ein langer Rückstau zu erwarten wäre und alle Busse viel Zeit verlieren würden. Es bleibt daher bei der heutigen Regelung, dass Autos nur nach rechts abbiegen dürfen.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass PKWs vom Zinser-Dreieck kommend nicht mehr zur Universität fahren können. Die Neckarbrücke ist für diese Verkehrsbeziehung gesperrt. Der dominierende Durchgangsverkehr in der Mühlstraße wird damit auf Umgehungsstraßen im Stadtgebiet oder andere Verkehrsmittel verlagert. Weiterhin möglich ist es, in beiden Richtungen von der Gartenstraße über die Neckarbrücke ins Zinser-Dreieck und umgekehrt zu fahren. Ebenso bleibt die Mühlstraße erreichbar, aber nur über die Gartenstraße. Dies ist aus Sicht der Verwaltung sinnvoll, um Lieferverkehr und Anwohner zuzulassen. Für die Bewohner des Österbergs gilt, dass sie bei der Fahrt von Süden den Umweg über Schlossbergtunnel oder Lustnau in Kauf nehmen müssen, so wie es in Richtung Süden seit der Sperrung der Mühlstraße bereits seit 25 Jahren der Fall ist.
Im Zielkonflikt zwischen einem sicheren und komfortablen Angebot für den Radverkehr und dem Erhalt einer Durchfahrtsverbindung für den Autoverkehr im Stadtzentrum wird in der Probephase die bisherige Wertentscheidung umgekehrt: Vorrang erhalten jetzt die Bedürfnisse der Radfahrer. Die Bedürfnisse der Autofahrer werden im Konflikt um knappe Flächen zurückgestellt.
Oberbürgermeister Boris Palmer sieht die Probe auch als Test für die Bereitschaft zur Veränderung im Rahmen der Anstrengungen, Tübingen bis 2030 klimaneutral zu machen: „Wir können lokal das Klima nur erfolgreich schützen, wenn wir sehr viel mehr Verkehr vom Auto auf das Fahrrad verlagern. Dafür muss das Fahrrad jedenfalls auf den Hauptrouten im Zentrum der Stadt Vorrang gegenüber dem Auto bekommen. Ob diese Änderung im Verkehrsnetz funktioniert und welche Effekte sie hat, können wir durch eine Fortsetzung der Debatten über die Verkehrsführung in der Mühlstraße und auf der Neckarbrücke auch in den nächsten 25 Jahren nicht heraus finden. Das veränderte gesellschaftliche Klima verlangt, dass wir mutiger handeln, wenn es um das Klima der Erde geht. Ich bin gespannt auf den zweimonatigen Versuch und hoffe, dass die Stadtgesellschaft auf den Zweirichtungs-Radweg auf der Neckarbrücke bald nicht mehr verzichten will.“
Damit das Weihnachtsgeschäft des Handels in der Altstadt von möglichen Effekten auf die Kundschaft nicht beeinträchtigt wird, endet der Versuch in jedem Fall am 15. November 2019. Über die künftige Gestaltung der Radverbindung soll im Jahr 2020 im Gemeinderat in Kenntnis der Ergebnisse des Probelaufs entschieden werden. Die Verwaltung arbeitet parallel an einem Vorschlag, die verbleibende Lücke der zentralen Radachse in der Wilhelmstraße zu schließen.
Pressestelle der Universitätsstadt Tübingen