OB Boris Palmer nimmt Stellung zur Abschiebung von Bilal Waqas
Pressemitteilung vom 14.01.2020
Nach der Abschiebung des in Tübingen lebenden pakistanischen Staatsbürgers Bilal Waqas äußert sich Oberbürgermeister Boris Palmer: „Ich bedauere es sehr, dass sich die Abschiebung des Ehemanns von Ricarda Zelter, Bilal Waqas, nicht verhindern ließ und möchte ihm möglichst schnell die Rückkehr nach Tübingen ermöglichen.“
In der Vergangenheit hatte sich die Familie Zelter schriftlich mit der Bitte um Unterstützung an den Oberbürgermeister gewandt. „Leider zeigte sich in der Prüfung des Falles, dass Herr Waqas durch Verstöße im Zusammenhang mit seinem Asylantrag die Möglichkeit auf eine Aufenthaltsgenehmigung verwirkt hatte“, so Palmer. „Das zuständige Amt hat mir schlüssig nachgewiesen, dass es rechtlich keine Möglichkeit für eine Aufenthaltsgenehmigung gab. Weil ich diese Rechtslage für menschlich und sachlich falsch hielt, habe ich Familie Zelter im Sommer 2018 empfohlen, den Petitionsausschuss einzuschalten.“
Der Petitionsausschuss hat sich zu Palmers Bedauern aber nicht in der Lage gesehen, der Petition abzuhelfen. In der Logik des Ausländerrechts sollen Anreize vermieden werden, durch falsche Angaben einen Aufenthalt aus dem Asylstatus heraus zu erreichen. Darüber wollte sich auch der Ausschuss nicht hinwegsetzen.
Stattdessen folgte der Ausschuss aber einem Vorschlag der Stadtverwaltung, der einen Daueraufenthalt gesichert hätte: Bilal Waqas sollte ausreisen und einen Antrag auf Familienzusammenführung stellen. Für den Fall, dass er diesen Weg mitginge, sicherte das Tübinger Ausländeramt eine sogenannte Vorabzustimmungserklärung zu. Das heißt, für Bilal Waqas bestand keinerlei Risiko, dass sein Antrag abgelehnt werden würde. „Natürlich ist es für Betroffene schwer verständlich, erst auszureisen, um dann wieder einzureisen. Im Rahmen unserer Rechtsordnung wäre das aber die einzige legale Option gewesen“, erläutert Palmer. „Ich hätte mir gewünscht, dass Herr Waqas diese ausgestreckte Hand ergriffen hätte.“
Der Anwalt von Bilal Waqas lehnte den Vorschlag des Petitionsausschusses jedoch ab, Bilal Waqas verweigerte die Ausreise. „Erst daraufhin mussten wir den Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung aus formalen Gründen ablehnen“, sagt Palmer. Das Regierungspräsidium Tübingen bestätigte diese Rechtsauffassung der Stadt. Damit war Bilal Waqas ausreisepflichtig und riskierte seine Abschiebung nach Pakistan, die das Regierungspräsidium schließlich angeordnet hat.
„Angesichts dieser Vorgeschichte kann von einem Zivilisationsbruch keine Rede sein“, sagt Boris Palmer. „Wir können als Staat erwarten, dass Menschen Konsequenzen für ihr Handeln übernehmen. Die ausländerrechtliche Verurteilung hat es der Stadt unmöglich gemacht, eine Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen. So verständlich es ist, dass Herr Waqas in Deutschland leben will und so sehr ich das in der Sache unterstütze, so wenig kann ich den beteiligten Behörden einen Vorwurf machen. Insbesondere die Zuständigen im städtischen Ausländeramt haben gewissenhaft gearbeitet und aktiv Lösungsvorschläge unterbreitet.“
Dessen ungeachtet bleibt die Abschiebung von Bilal Waqas für den Oberbürgermeister ein Fehler: „Herr Waqas hat sich keiner Straftaten außerhalb des Ausländerrechts schuldig gemacht. Er hat als Koch im LTT gearbeitet und seinen Lebensunterhalt selbst verdient, er hat eine Frau in unserer Stadt. Es gibt überhaupt keinen Grund, ihm ein Leben in Tübingen zu verweigern. Es ist der klassische Fall für den von mir seit langem mit meinem Kollegen Richard Arnold geforderten Spurwechsel. Nach sieben Jahren in Deutschland sollte die Spur des Asylantrags nicht mehr verfolgt, sondern ein Wechsel zum Einwanderungsrecht möglich gemacht werden. Dass dafür nur die Ausreise als Option zur Verfügung steht, ist nicht mehr zeitgemäß und müsste dringend geändert werden. Denn wir schieben nach wie vor viel zu viele gut integrierte Menschen ab. Im Fall von Herrn Waqas wird auf die Abschiebung ganz sicher die legale Rückkehr folgen. Das ist absurd und zeigt in aller Deutlichkeit den Reformbedarf für den Spurwechsel auf.“
Um Bilal Waqas jetzt noch zu helfen, hat der Oberbürgermeister mit der Ausländerrechtsbehörde einen neuen Vorschlag erarbeitet und diesen der Ehefrau übermittelt. Nach geltendem Recht folgt auf die Abschiebung eine Einreisesperre von 30 Monaten. Diese zu vermeiden, war das Ziel des städtischen Vorschlags der freiwilligen Ausreise. Palmer ist in Würdigung der Gesamtumstände aber der Auffassung, das hier von der Einreisesperre abgesehen werden sollte, damit Bilal Waqas möglichst bald wieder nach Tübingen zu seiner Frau zurückkommen kann. „Die Stadt wird einer Einreise zum frühestmöglichen Zeitpunkt zustimmen“, kündigt Palmer an. „Wann das sein kann, hängt damit nur noch von der Verfahrensdauer ab. Ich werde mich an die zuständigen Stellen mit der Bitte um eine beschleunigte Bearbeitung wenden und hoffe, dass die Geschichte damit doch noch zu einem guten Ende kommt.“
Pressestelle der Universitätsstadt Tübingen