Bauarbeiten in der Langen Gasse: Die Straße unter der Straße
Pressemitteilung vom 06.05.2020
Die Sanierung des Wilhelmstifts wirft ihre Schatten voraus. Bevor die Stadtwerke Tübingen (swt) das Stift an die Fernwärme anschließen können, müssen sie eine neue Fernwärmeleitung legen von der Hafengasse bis zum Gebäude Lange Gasse 22.
Da es unter der Straße sehr viele Leitungen gibt, sind hierfür umfangreiche Vorarbeiten nötig. Zunächst müssen etliche Leitungen „beiseitegeschoben“ werden. Auch wird im Zuge der Bauarbeiten die – nicht sichtbare – Brücke des Ammerkanals unter der Langen Gasse erneuert. „Bevor wir an der Brücke arbeiten können, müssen wir die eng gebündelten Telekom-Leitungen aus dem Weg räumen“, erklärt Albert Füger, Leiter des städtischen Fachbereichs Tiefbau. „Allein dies kostet uns bereits bis zu 60.000 Euro.“ Anschließend erhält die Ammerbrücke eine neue Decke aus Carbon-Beton, einem Verbundwerkstoff, der CO2 spart und dem modernen Verkehr besser standhält. Diese Decke kostet weitere 80.000 Euro.
Die Stadtwerke nutzen die Baustelle der Fernwärmeleitung ebenfalls für weitere Arbeiten. Sie verlegen Schutzrohre, in die zu einem späteren Zeitpunkt Stromkabel eingezogen werden können, ohne dass große Teile der Straße wieder aufgegraben werden müssen. Dieser Teil der Arbeiten soll bis Ende Juli 2020 fertig sein. Erst dann können die Bauarbeiten am und im Wilhelmstift losgehen. „Die Termine für alle Arbeiten in der Langen Gasse mussten gut abgestimmt werden“, sagt Albert Füger. „Dazu waren viele Gespräche nötig zwischen den Fachleuten der Stadtwerke, des Tiefbauamtes, der Telekom, des Wilhelmstifts und der Verkehrsbehörde.“ Im Herbst 2020 folgt eine Umgestaltung dieses Straßenabschnittes, die für mehr Attraktivität und Barrierefreiheit sorgen wird. Die anderen Abschnitte der Langen Gasse sollen zu einem späteren Zeitpunkt einen neuen Belag erhalten.
Die unterirdischen Leitungen, ohne die das moderne Leben nicht vorstellbar wäre, bleiben dem menschlichen Auge in aller Regel verborgen. In der Langen Gasse gibt es derzeit einen tiefen Einblick in die Unterwelt. An der Ecke zur Metzgergasse kann man einen Blick werfen auf Telekommunikations-Leitungen, Abwasserleitungen, die Verdolung des Ammerkanals, Stromkabel, historische Fundamente und einiges mehr.
Da es dort sehr eng zugeht und etliche Kabel queren, musste die gesamte Straßenbreite freigelegt werden. Die „unterirdische Straße“ ist gut organisiert. Während auf der Straße der Verkehr abgewickelt wird, wird unterirdisch die Versorgung mit Gas, Wasser, Strom, Telekommunikation und in dicht besiedelten Bereichen mit Fernwärme sichergestellt. Die Entsorgung des Abwassers erfolgt ebenfalls unterirdisch. „Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts hat die Versorgung mit Brennstoff und Wasser sowie die Entsorgung des Abwassers oberirdisch mit Fuhrwerken oder Handwagen funktioniert“, erklärt Albert Füger. „Erst im 20. Jahrhundert musste der Raum unter den Straßen aufgeteilt werden.“ Die Lange Gasse hält aufgrund ihrer Enge weitere Besonderheiten mit vielen Querungen bereit. Albert Füger erläutert das Ordnungsprinzip der unterirdischen Straße folgendermaßen:
Unter der Fahrbahn liegen zuunterst die Abwasserleitungen. Falls diese undicht werden, kann das Abwasser nicht mit den darüber liegenden Wasserleitungen in Kontakt kommen. Außerdem muss das Abwasser auch aus den Kellern nach unten abfließen können, weshalb die Abwasserleitungen in der Regel mindestens drei Meter unter dem Straßenniveau liegen.
Darüber folgen in aller Regel die Wasserleitungen. Für sie gilt die Anforderung, dass sie vor Frost geschützt sein müssen, also liegen sie mindestens einen Meter tief. Gasleitungen verlegt man in der gleichen Tiefe. Viel Platz benötigen die recht voluminösen Fernwärmeleitungen, die isoliert sein müssen und aus Vor- und Rücklauf bestehen.
Unter dem Gehweg liegen die Stromleitungen in einem Sandbett, teilweise versehen mit Kabelschutzrohren. Es gibt unterschiedliche Spannungsbereiche: 1-kV-Leitungen gehören zum Niederspannungsbereich und versorgen die Wohnhäuser und Gewerbetreibende. Auch 20-kV-Leitungen können unter den Gehwegen liegen. Sie gehören zum Mittelspannungsbereich und verbinden Wohngebiete und Stadtteile. Für den Übergang von den Mittelspannungs- in den Niederspannungsbereich benötig man Trafostationen und Kabelverteilerschränke, die entweder am Gehwegrand stehen oder in die Gebäude integriert sind. Telefonleitungen liegen ebenfalls im Gehwegbereich, verlegt in Sand und mit Schutzrohren versehen. Auch hier sind oberirdisch Kabelverteilerkästen sichtbar.
Hausanschlüsse sind entweder an Kabelverteilerschränke direkt angeschlossen oder zweigen von den Niederspannungskabeln entlang der Straße ab.
Querungen verknüpfen die Leitungsführungen verschiedener Straßenzüge miteinander ganz ähnlich wie die oberirdischen Straßenkreuzungen auch.
„So ergibt sich ein unterirdisches, dicht verwobenes Netz, das über Knotenpunkte verknüpft ist“, sagt Albert Füger. „Einige dieser Knotenpunkte sind auf der Straßenoberfläche als Schachtdeckel oder Schieberdeckel sichtbar.“ Sehr wichtig sei es, dass die Leitungen sauber verlegt und „gebettet“ sind, damit sie durch die Auflast durch den Straßenkörper nicht beschädigt werden. „Deshalb ist auf den Tiefbau-Baustellen immer sehr viel Asphalt, Beton und Sand im Spiel“, erläutert Albert Füger. „Die Leitungen müssen sorgfältig wieder eingebaut werden, damit es keine Setzungen oder Schäden am Leitungsbestand gibt. Wenn irgendwas schiefgeht, wenn der Bestand nicht bestmöglich dokumentiert war, wenn es eine Unachtsamkeit oder Ähnliches gibt, macht sich das sofort bemerkbar: Es gehen die Lichter aus, Telefon ist weg, Gas tritt aus oder das Wasser fehlt. All dies zeigt, wie wichtig die genaue Erhebung des Leitungsbestandes ist und dass diese Arbeiten ihre Zeit brauchen.“
Pressestelle der Universitätsstadt Tübingen