Stadtmuseum präsentiert die Lebensgeschichte von Maria Raich
Pressemitteilung vom 08.09.2020
Jeden Monat zeigt das Stadtmuseum in der Außenvitrine am Eingang einen oder mehrere besondere Gegenstände aus seiner Sammlung. Im September ist in einer weiteren Vitrine ein zusätzliches Ausstellungsstück zu sehen. Es handelt sich um eine Fotografie der Philosophin Maria Raich (1877-1964), die aus Odessa stammte, Tübingen zu ihrem Lebensmittelpunkt machte und als Jüdin einer Deportation im Nationalsozialismus nur knapp entging.
Die Fotografie wurde Ende des 19. Jahrhunderts aufgenommen und zeigt das damals etwa sechs Jahre alte jüdische Mädchen in einem Fotoatelier in Odessa. Der Blumenkorb und die Felsen sind fotografische Hilfsmittel, um ein Verwackeln zu verhindern und den Eindruck von Natürlichkeit zu erwecken. Solche Landschaftshintergründe waren Ende des 19. Jahrhunderts besonders beliebt, ebenso das Bildformat als sogenannte „Carte de Visite“ zum Verschenken an Freunde und Verwandte. Hierfür wurde das Bild auf einer Platte mit Angaben zum Fotografen angebracht, was für diesen eine gute Werbung war.
Maria Raich wurde 1877 in Odessa im russischen Zarenreich geboren. Nach dem Besuch eines Mädchengymnasiums und dem Lehrerinnenexamen in ihrer Heimatstadt studierte sie Philosophie, Kunstgeschichte und Nationalökonomie in Berlin und Straßburg. 1905 wurde sie als eine der ersten Frauen Europas in Philosophie promoviert. Später wurde Tübingen zu ihrem Lebensmittelpunkt. Hier verfasste sie Aufsätze, heiratete den Tübinger Philosophieprofessor Dr. Traugott Oesterreich und bekam eine Tochter.
Die Zeit des Nationalsozialismus war für die Jüdin Maria Raich und ihre Familie schwer und voller Entbehrungen. Die Familie war vom gesellschaftlichen Leben abgeschnitten und lebte bis 1945 zurückgezogen in der Waldhäuser Straße in Tübingen. Einer Deportation entging sie knapp. Maria Raich starb 1964 im Alter von 88 Jahren.
Pressestelle der Universitätsstadt Tübingen