Zwei Monate Abwasseruntersuchung: Daten sagen Verlauf der Corona-Pandemie voraus
Pressemitteilung vom 04.03.2022
Das in Tübingen ansässige Eurofins Institut Jäger untersucht im Auftrag der Stadtverwaltung seit Mitte Dezember die Corona-Viruslast im Abwasser in der Kläranlage. Nach mehr als zwei Monaten ergeben die Daten ein eindeutiges Bild: Die gemessenen Ct-Werte haben den Verlauf der Inzidenzwerte im Schnitt um zwei bis drei Wochen vorhergesagt. „Durch die regelmäßigen Berichte zur Entwicklung der Corona-Konzentration im Abwasser verfügte die Stadt in der Omikron-Welle über ein Frühwarninstrument, das zum Glück Entwarnung gegeben hat. Die Datenqualität hat mich überzeugt“, sagt Oberbürgermeister Boris Palmer. Die Messungsergebnisse im Verlauf werden wöchentlich unter www.tuebingen.de/corona-abwasserdaten veröffentlicht.
Die Sieben-Tage-Inzidenz in der Region Tübingen stieg im Zeitraum vom 15. Dezember 2021 bis zum 7. Februar 2022 von 291 auf 1.725 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner an, seither sind die Inzidenzen auf hohem Niveau leicht rückläufig. Am 15. Februar lag der Inzidenzwert bei 1.524 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern (Quelle: Robert-Koch-Institut). Ausgehend von der These, dass die Viruslast im Abwasser die Dynamik der lokalen Inzidenzzahlen zwei bis drei Wochen vorher anzeigt, waren um den 24. Januar Änderungen im Abwasser-Monitoring zu erwarten. Der im Abwasser der Tübinger Kläranlage ermittelte Ct-Wert von 31 erreichte bereits am 20. Januar den vorübergehenden Höchststand im Jahr 2022 – deutlich vor dem offiziellen Höchststand der Sieben-Tage-Inzidenzwerte. Das Abflachen der Kurve im Abwasser konnte also deutlich vor dem vergleichbaren Sieben-Tage-Inzidenzwert anzeigen, dass die Fallzahlen zurückgehen. Seit diesem Zeitpunkt hält sich der Ct-Wert stabil auf einem hohen Niveau. Das deckt sich weiterhin mit den Sieben-Tage-Inzidenzwerten, die sich seit dem 7. Februar stabil auf einem hohen Niveau befinden.
Neben der Gesamtmenge der Viruslast hat das Eurofins Institut Jäger auch nach Virusvarianten differenziert. Zu Beginn der Messungen Mitte Dezember war die Delta-Variante vorherrschend. Seitdem nahm diese stetig ab und ist derzeit kaum mehr nachweisbar. Die Omikron-Variante verhielt sich indirekt proportional dazu: Sie war zu Beginn nicht feststellbar, stieg bis zum 25. Januar aber kontinuierlich an und verblieb dann auf einem hohen, mittlerweile leicht sinkenden Niveau.
„Wir konnten mit unseren Analysen zudem zeigen, dass an den Weihnachtsfeiertagen nicht nur die Verwandtschaft und die Geschenke nach Tübingen kamen, sondern mit ihnen die Omikron-Variante“, sagt Dr. Judith Böhringer vom Eurofins Institut Jäger. Sie untersucht zusammen mit ihrem Team das Abwasser. „Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Daten aus der Kläranlage etwa zwei Wochen vor dem Inzidenzwert Änderungen im Infektionsgeschehen aufzeigen können. Die Untersuchung des Abwassers ist damit ein aussagekräftiges Werkzeug für die Corona-Pandemiebekämpfung, das anonymisierte und frühzeitige Daten zum aktuellen Infektionsgeschehen im Einzugsgebiet von Kläranlagen der Städte oder Regionen oder von Betrieben liefert.“
An die Tübinger Kläranlage sind rund 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner des Stadtgebiets, des Abwasserzweckverbands Ammertal und der Ortsteile Mähringen und Immenhausen der Gemeinde Kusterdingen angeschlossen. Die Anlage ist eine der größeren in Baden-Württemberg und liefert entsprechend valide Daten.