Solidaritätspartnerschaft mit Krementschuk: erster Austausch der Oberbürgermeister
Pressemitteilung vom 20.10.2023
Im August beschloss der Gemeinderat einstimmig, dass die Universitätsstadt Tübingen eine Solidaritätspartnerschaft mit der ukrainischen Stadt Krementschuk aufbauen möchte. Die Oberbürgermeister der beiden Städte, Witaly Maletsky und Boris Palmer, haben sich nun erstmals in einem Online-Gespräch über die aktuelle Situation und Möglichkeiten der Unterstützung und Zusammenarbeit durch die Partnerschaft ausgetauscht.
„Drängendstes Problem“, so Maletsky, „ist die in wenigen Tagen beginnende Heizperiode“. Die circa 70 russischen Raketenangriffe seit Kriegsbeginn trafen nicht nur Wohnhäuser, sondern auch Einrichtungen der Infrastruktur, zum Beispiel eine Erdölraffinerie oder Trafo-Stationen. Folge ist eine bedrohliche Krise in der Versorgung mit Heizenergie. Diese betrifft auch die Bunker, in denen die Bevölkerung Schutz sucht, und die Krankenhäuser, denen ebenfalls Material und Treibstoff für die Kesselhäuser fehlen. Akute Aufgabe sei also, die Energiestandhaftigkeit zu stärken und die Wasser- und Stromversorgung zu sichern; hier sei jede Unterstützung willkommen. Es gehe schlicht darum, „den Winter zu überleben“. Der ukrainische Oberbürgermeister sprach außerdem den Bedarf an Feuerwehrausrüstung sowie medizinischer Versorgung und Medikamenten im Gesundheitswesen und für Krankenhäuser an. Auch bei der Versorgung und Betreuung von Kindern kann Krementschuk Unterstützung gebrauchen – ebenso für die Luftschutzbunker, in denen die Kinder auch Schlaf finden sollen.
Oberbürgermeister Maletsky dankte mehrfach für die bisherige Unterstützung aus Deutschland, die die Ukraine und Krementschuk durch humanitäre und materielle Hilfe erfahren habe. Maletsky berichtete von den Bemühungen der Stadt in der Vergangenheit, beim Klimaschutz und der Nachhaltigkeit voranzukommen, zum Beispiel durch die Modernisierung der Heizsysteme oder die Einführung umweltfreundlicher Trolleybusse. Dies alles sei durch den russischen Angriff hinfällig – nun gehe es darum, die Folgen der Angriffe für die Umwelt zu mildern. Er warf aber einen Blick in die Zukunft: Er kann sich im medizinischen Bereich einen Austausch oder Praktika von ärztlichem Personal vorstellen, ebenso Kooperationen im universitären Bereich – denn Krementschuk verfüge über gute Universitäten im Bereich Elektromechanik und -technik. Auch in ökologischen Fragen sowie im Bereich der Kultur oder des Jugendaustauschs sei eine Zusammenarbeit denkbar.
Oberbürgermeister Boris Palmer dankte seinem Amtskollegen für die eindrückliche Schilderung. „Jede Antwort aus Tübingen ist trivial angesichts der enormen Schwierigkeiten und Bedrohungen, denen sich die Menschen in Krementschuk ausgesetzt sehen“, so Palmer. Die Absicht dieses Kontakts sei zwar die Entscheidung über eine langfristige Partnerschaft, die die Ziele Völkerverständigung, Freundschaft, Frieden, Freiheit, und auch die gemeinsame Arbeit an Natur- und Klimaschutz umfasse. „Akut ist aber die Aufgabe und die Frage, wie Tübingen Krementschuk in der aktuellen Situation unterstützen kann – beispielsweise durch Ausrüstung, Material, Fahrzeuge, Generatoren oder ähnliches.“ Krementschuk schickt eine Bedarfsliste an die Tübinger Stadtverwaltung, welche prüft, ob sie neue Güter anschafft oder ob sie gegebenenfalls auch nicht mehr benötigte, gebrauchte Gerätschaften nach Krementschuk bringen kann. Palmer verwies auf den bereits bestehenden Unterstützerkreis in Tübingen, auf den die Partnerschaft aufbauen könne. Die Stadt könne auch als Vermittlerin zu anderen Stellen wie der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt fungieren, die bei der Beschaffung und beim Transport von Hilfsgütern unterstützen.
Die Oberbürgermeister stimmen nun ein sogenanntes Memorandum of Understanding – eine Absichtserklärung – ab und unterzeichnen dieses online oder bei einem Besuch Maletskys in Tübingen. Wie vom Gemeinderat beschlossen, soll die Solidaritätspartnerschaft zunächst auf fünf Jahre nach Kriegsende begrenzt werden. Im weiteren Verlauf soll aber auch die langfristige Form und inhaltliche Perspektive der Beziehung zwischen beiden Städten geklärt werden. Die weiteren Abstimmungen laufen über das für die internationalen Beziehungen zuständige Institut für Stadtentwicklung in Krementschuk und den Fachbereich Kunst und Kultur der Universitätsstadt Tübingen.