Zerstörung der kommunalen Demokratie
Station im Stadtrundgang: Geschichtspfad zum Nationalsozialismus
Rathaus
Stele Nr. 7
Am 31. März 1933 musste sich der demokratisch gewählte Tübinger Gemeinderat auflösen. Nachdem die Nationalsozialisten bei den bereits unfreien Reichstagswahlen wenige Wochen zuvor einen Wahlsieg erreicht hatten, verschafften sie sich auch in den kommunalen Gremien die Mehrheit der Sitze.
Auflösung der Kommunalparlamente
Mit dem „Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich“ vom 31. März 1933 wurden reichsweit die Kommunalparlamente aufgelöst. Auch in Tübingen verloren 27 Stadträte und eine Stadträtin ihre Mandate. Zudem gingen Nationalsozialisten gegen anders denkende Kommunalpolitiker vor. So wurde schon vor der Auflösung des Gemeinderats dem einzigen kommunistischen Stadtrat, dem Schneidermeister Hugo Benzinger, die Amtsausübung verboten. Einige Wochen lang entzog sich Benzinger der Verhaftung, indem er untertauchte. Im April 1933 wurde er jedoch in das Konzentrationslager Heuberg verschleppt. Der liberale Stadtrat Simon Hayum kam seiner Enthebung durch ein Rücktrittsgesuch zuvor – er war Jude. Der Gemeinderat bestand nun mehrheitlich aus NSDAP-Stadträten. Im Mai 1933 beschloss er ein Freibadverbot für „Juden und Fremdrassige“ – das erste im Deutschen Reich. Im Sommer 1933 wurden reichsweit alle Parteien außer der Staatspartei NSDAP verboten.
Gemeinderat stimmte nur noch zu
Der seit 1927 amtierende Tübinger Oberbürgermeister Adolf Scheef, zuvor liberal eingestellt, unterstützte die Politik der Nationalsozialisten. 1939 folgte ihm der frühere NSDAP-Fraktionsvorsitzende Ernst Weinmann als Oberbürgermeister nach. Der Gemeinderat war nur noch ein Zustimmungsorgan für Beschlüsse von Scheef und Weinmann.
Bild 1
Am 6. März 1933 gewannen die Nationalsozialisten die Reichstagswahlen. Drei Tage später hissten NSDAP-Funktionäre am Tübinger Rathaus die Hakenkreuzfahne. Mit der „Gleichschaltung“, die dem Ermächtigungsgesetz folgte, sicherten sich die Nationalsozialisten die Macht in Staatsorganen, Verbänden und Vereinen. Foto: Stadtarchiv Tübingen/Hugo Kocher
Bild 2
Der Uhrmachermeister Otto Schott aus der Langen Gasse (rechts) wurde 1928 für die linksliberale Deutsche Demokratische Partei (DDP) in den Gemeinderat gewählt und 1933 im Zuge der „Gleichschaltung“ zum Rücktritt gezwungen. Foto: Stadtarchiv Tübingen/Tübinger Blätter 1979
Bild 3
Die Aufnahme von 1935 zeigt Adolf Scheef (rechts). Er war von 1927 bis 1939 Oberbürgermeister. Sein Nachfolger bis 1945 war Ernst Weinmann (zweiter von links). Er wurde in Jugoslawien als Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt und 1947 hingerichtet. Foto: Stadtarchiv Tübingen/Walter Kleinfeldt