NSDAP-Kreisleitung
Station im Stadtrundgang: Geschichtspfad zum Nationalsozialismus
Wilhelmstrasse 24
Stele Nr. 11
In der Wilhelmstraße 24 befand sich von 1936 bis 1945 die Kreisleitung der NSDAP mit dem Organisations-, Kassen- und Personalamt. Der Kreisleiter und seine Mitarbeiter hatten nach dem Führerprinzip die Weisungen Hitlers und der Gauleitung Württemberg-Hohenzollern in Stadt und Kreis durchzusetzen. Zu ihren Aufgaben gehörte nicht nur die Inszenierung der „Volksgemeinschaft“, sondern auch die Verfolgung der politischen Gegner und der als „artfremd“ ausgegrenzten Gruppen.
Schnelle „Gleichschaltung“
Bei der Reichstagswahl im März 1933 stimmten 62 Prozent der Tübinger für die NSDAP und ihre deutschnationalen Koalitionspartner. Unmittelbar nach der Machtübernahme begann auf Befehl der Gau- und Kreisleitung die Verhaftung der politischen Gegner und die Verfolgung der jüdischen Bürgerinnen und Bürger. Rasch war die „Gleichschaltung“ von Rathaus und Gemeinderat, von Universität, von Presse, von Kirchen, Schulen und Vereinen vollzogen. Viele passten sich bereitwillig an.
Der Kreisleitung unterstanden die Ortsgruppen mit 2.000 Mitgliedern in Tübingen (1940) und die Parteiverbände, wie unter anderem die SA, der Lehrerbund und die NS-Frauenschaft, die Deutsche Arbeitsfront. Die Partei setzte die Ziele des Nationalsozialismus rücksichtslos durch. „Blockwarte“ in den Wohnbezirken sorgten für die nationalsozialistische Durchdringung des Alltags: „Nichts ist zu gering, daß es die Blockleiter nichts anginge“, hieß es im Tübinger Parteiblatt.
Feiern, Umzüge, Heldengedenktage
Die Kreisleitung inszenierte die „Volksgemeinschaft“, z.B. in zahlreichen Feiern, wie dem 1. Mai, den Erntedank-Umzügen und Heldengedenktagen. Aufmärsche und Hakenkreuz-Fahnen prägten das Stadtbild. Viele Menschen machten bei der „Volksgemeinschaft” begeistert mit. Zugleich wurden alles „Artfremde“ und Andersdenkende ausgegrenzt und verfolgt.
In der Nacht zum 19. April 1945 gelang es dem Standortarzt Theodor Dobler in der Kreisleitung, den Befehl des Kreisleiters und des kommandierenden Generals zur militärischen Verteidigung Tübingens zu unterlaufen. Dadurch wurde die Stadt kampflos von den französischen Truppen besetzt.
Bild 1 (oben)
NSDAP-Kreisleitung in der Wilhelmstraße 24 (Foto undatiert). Foto: Stadtarchiv Tübingen
Bild 2
SA-Aufmarsch 1933 am Lustnauer Tor. Zahlreiche Tübinger begrüßten und unterstützten die nationalsozialistische Diktatur. Foto: Stadtarchiv Tübingen/Walter Kleinfeldt
Bild 3
Der junge Buchhändler und Kreisleiter Helmut Baumert (1909–1980), rechts, mit Oberbürgermeister Adolf Scheef bei der Sammlung für das Winterhilfswerk (Foto undatiert).
Helmut Baumert machte rasch Parteikarriere: 1932 wurde er NSDAP-Kreisleiter und 1933 NSDAP-Gaugeschäftsführer für Württemberg-Hohenzollern. Foto: Stadtarchiv Tübingen
Bild 4
Hans Rauschnabel (1885–1957), ganz links, folgte Helmut Baumert als Kreisleiter. Er betätigte sich als radikaler Parteiredner und befahl die Brandstiftung der Synagoge am 9./10. November 1938. Foto: Stadtarchiv Tübingen/Tübinger Chronik 18.06.1938