Albert Weil – innovativer Verleger der Tübinger Chronik
Station im Stadtrundgang: Geschichtspfad zum Nationalsozialismus
Uhlandstrasse 2
Stele Nr. 14/ Seite B
In dem stattlichen Gebäude Uhlandstraße 2 befindet sich heute die Redaktion des Schwäbischen Tagblatts. Die Vorgängerzeitung Tübinger Chronik gehörte von 1903 bis 1930 dem jüdischen Verleger Albert Weil (1862–1946). Unter seiner Leitung entwickelte sich das Blatt zu einer modernen und auflagenstarken Tageszeitung.
Albert Weil und sein Bruder Sigmund kamen 1903 aus Ellwangen nach Tübingen und kauften die Tübinger Chronik. Sie investierten in neue Satz- und Druckmaschinen und bauten 1905 in der Uhlandstraße 2 das neue Verlagsgebäude. Dort wohnte auch die achtköpfige Familie von Albert Weil. Sein Bruder Sigmund verließ den Verlag 1914. Albert Weils publizistisches Ziel war es, die journalistische Qualität zu verbessern und aktuelle politische Ereignisse so schnell wie möglich in sein Blatt zu bringen.
Antisemitische Angriffe
Schon Mitte der 1920er Jahre sah sich Albert Weil antisemitischen Angriffen ausgesetzt. Er wurde auf der Straße von Verbindungsstudenten angepöbelt und von der nationalsozialistischen Tübinger Zeitung immer wieder diffamiert. Erschöpft und gesundheitlich angegriffen, verkaufte er Ende 1930 seine Zeitung an den Ulmer Verleger Karl Höhn und emigrierte in die Schweiz. Sein Sohn Hermann Weil (1903–1973) erhielt einen Zehnjahresvertrag als Geschäftsführer. Als 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kamen, wurde er jedoch als Jude sofort aus der Geschäftsleitung entlassen. Er fand mit seiner Familie Zuflucht im heutigen Tansania und betrieb dort eine Farm.
Bild 1 (oben)
Das Gebäude der Tübinger Chronik in der Ära Albert Weil. Foto: Geschichtswerkstatt Tübingen e.V.
Bild 2
Die Tübinger Chronik berichtete ausführlich über die Ermordung des jüdischen Außenministers Walther Rathenau durch Rechtsradikale am 24. Juni 1922. Foto: Tübinger Chronik/Stadtarchiv Tübingen
Bild 3
Frida und Albert Weil. Sie emigrierten 1931 in die Schweiz und starben dort 1942 bzw. 1946 in einem Altenheim. Foto: Geschichtswerkstatt Tübingen e.V.
Bild 4
Albert Weil an seinem 70. Geburtstag am 22. Januar 1932 in der Schweiz mit Frida Weil, drei Töchtern und einem Enkelkind. Die Töchter und ihre Familien konnten größtenteils emigrieren, mehrere Familienmitglieder wurden in Konzentrationslagern ermordet. Foto: Geschichtswerkstatt Tübingen e.V.