Die Französische Präsenz bis 1991
Mit der Gründung der Bundesrepublik 1949, der Entstehung Baden-Württembergs 1952 und der Aufhebung des Besatzungsstatuts 1955 verschwanden fast alle französischen Einrichtungen aus der Tübinger Innenstadt.
Der französische Militärfriedhof auf dem Gelände des heutigen Parkplatzes hinter dem Kupferbau wurde aufgelassen. Die französischen Läden wurden in einem großen Économat in der Katharinenstraße zusammengeführt. Die meisten Soldaten und ihre Angehörigen zogen in die eigens für sie errichteten Wohnblöcke und Reihenhäuser in der Südstadt. Das französische Collège Decourdemanche, bis dahin in der beschlagnahmten Wildermuth-Schule untergebracht, bekam ein neues Schulgebäude auf dem Galgenberg.
Kasino und Foyer: Orte der Begegnung
Trotz der Abschottung der Militärquartiere in der Südstadt gab es zahlreiche Orte der Begegnung zwischen Franzosen und Deutschen. Das Foyer an der „Blauen Brücke“ zum Beispiel zog als Lokal für einfache Soldaten auch Tübinger Bürger und Studenten an. Hingegen war ein Besuch im Offizierskasino am Neckar in der Regel wohlhabenden Tübinger Bürgern und Honoratioren vorbehalten.
In den 1970er Jahren kam es zu sporadischen Kontakten zwischen der politisierten Tübinger Studierendenschaft und linksgerichteten französischen Wehrpflichtigen. Und der „Tag der offenen Kaserne“ lockte jedes Jahr ein bunt gemischtes Publikum an, unter ihnen zahlreiche Familien mit Kindern.
Neue Wohnviertel entstehen
Heute dienen die ehemaligen Militärgebäude zivilen Zwecken. Nur wenig erinnert auf den ersten Blick an die frühere französische Präsenz in Tübingen. Die Thiepval-Kaserne wurde 1978 geräumt. Sie diente zunächst als Asylbewerberheim und beherbergt inzwischen das Tübinger Finanzamt. 1982 gaben die französischen Streitkräfte die Krankenhausgebäude auf dem Sand frei. Wo früher Besatzungssoldaten marschierten, sind moderne Stadtviertel entstanden.
Auf dem Gelände der einstmaligen Hindenburg-Kaserne entstand nach langwierigen Planungen das heutige Französische Viertel. Und in einem der Gebäude der früheren Loretto-Kaserne ist seit 1998 die Tübinger Volkshochschule untergebracht, deren Gründung im Jahr 1947 ebenfalls von den französischen Besatzern unterstützt wurde. Doch nur an wenigen Orten sind die Spuren der „Franzosenzeit“ so deutlich erhalten geblieben wie auf dem Gelände des ehemaligen Garnisonsdepots Schindhau.