Eine kulturelle Blütezeit
Vielen Tübingern blieben die frühen Besatzungsjahre als eine „Zeit der schönen Not“ in Erinnerung. Die Schaffung eines reichhaltigen Kulturangebots war ein integraler Bestandteil der französischen Umerziehungs- und Demokratisierungspolitik.
Musikalischer Auftakt
Noch inmitten der akuten Nachkriegsnöte markierte ein erstes Kammermusik-Konzert im Festsaal der Universität am 17. Juni 1945 den Auftakt einer ambitionierten Kulturpolitik. Innerhalb weniger Monate wurde Tübingen zu einem kulturellen Zentrum von überregionalem Rang. Ab Juli 1945 gab es regelmäßige Theateraufführungen. Im August wurden die Museum-Lichtspiele wiedereröffnet. Im November nahm das Städtische Schauspielhaus mit namhafter Besetzung seinen Spielbetrieb auf. Aus ihm ging später das Landestheater Tübingen hervor.
Ausstellung lockt Tausende
Nicht zuletzt bemühte sich die Section Beaux Arts der Militärregierung in Person von Jean Dollfus um die Förderung der bildenden Künste. Die ehemalige Antiken-Sammlung des Archäologischen Instituts wurde zu einem Ausstellungsgebäude für klassische und moderne Kunst. Die von September 1946 bis April 1947 präsentierten „Meisterwerke aus Kölner Museen und der Württembergischen Staatsgalerie“ lockten 42.000 Besucher an. Weniger Zuspruch erhielt hingegen eine Ausstellung mit Gemälden deutscher Gegenwartskünstler, die zuvor als „entartet“ gegolten hatten. Die nationalsozialistische Propaganda schien auch auf diesem Gebiet ihre Spuren hinterlassen zu haben.
Namhafte Wissenschaftler und Studierende
Die Militärregierung unterstützte eine ambitionierte Berufungspolitik, in deren Zuge zahlreiche namhafte Wissenschaftler an die Universität Tübingen kamen. Im August 1946 fand auf Betreiben der Besatzungsbehörden ein erster Sommerferienkurs für 500 deutsche, französische, britische und schweizerische Studierende in Tübingen statt. Einige der ausländischen Gäste wurden von Tübinger Familien beherbergt. Zu den Teilnehmern zählte Michel Tournier, der danach mehrere Semester lang in Tübingen blieb und später ein bekannter Schriftsteller wurde. Auch der Dokumentarfilmregisseur Claude Lanzmann studierte zwei Semester lang in Tübingen.
Deutsch-Französisches Kulturinstitut
Der französische Wille zur „Kulturmission“ schlug sich außerdem 1946 in der Gründung des Centre d’Études Françaises nieder. Dieses zog 1952 in das ehemalige Prinzenpalais auf dem Österberg und ist als Institut Culturel Franco-Allemand bis heute ein wichtiger Vermittler französischer Kultur geblieben.