Von 1945 bis heute
Nach 1945 prägten beschämendes Feilschen um die Restitution "arisierten" jüdischen Besitzes, Schweigen und Verdrängen den Umgang mit der NS-Zeit. Nur allmählich kam es zu einer Beschäftigung mit der lokalen Vergangenheit, wofür Lilli Zapf 1974 mit ihrem Buch "Die Tübinger Juden" eine Grundlage schuf. Erst 1978 brachte die Stadt an einem Brunnen am Rand des Synagogengrundstücks eine Gedenktafel an.
In den 80er Jahren setzte, von verschiedenen Gruppierungen und Einzelpersonen getragen, eine verstärkte Auseinandersetzung mit der jüdischen Geschichte ein. 1981 wurden die Überlebenden und Emigrierten erstmals von der Stadt offiziell eingeladen, weitere Einladungen folgten 1987 und 1995. Seit einigen Jahren leben wieder Juden in Tübingen.
1998 wurden beim Bau einer großen Wohnanlage auf dem Gelände der ehemaligen Synagoge die restlichen Fundamente des einstigen Gotteshauses vollständig entfernt. In diesem Zusammenhang flammte die Diskussion über eine angemessene Form der Erinnerung und Aufklärung, deren Notwendigkeit heute unumstritten ist, wieder auf. Eine Projektgruppe konnte schließlich Planungen zur künstlerischen Gestaltung einer kleinen Fläche am Rand des Grundstücks durchsetzen. Ob dieses Denkmal zur kritischen Beschäftigung mit der Vergangenheit anregt, offene Auseinandersetzungen in Gang bringt, Gedenken lebendig erhält, Anstöße für die Zukunft vermittelt, muss sich erst noch erweisen.
Antwortbrief von Hanna Bernheim an den Tübinger Oberbürgermeister auf dessen Einladung 1981:
"Sie werden verstehen, dass die alte Verbundenheit unlösbar verknüpft ist mit schmerzlichen Erinnerungen und wir mit dem Prophet Jeremiah sagen müssen: Es verdörre meine Rechte, wenn ich je eurer vergäße meine teuren ermordeten Familienmitglieder, 19 auf meines Mannes und meiner Seite, darunter meine einzige Schwester und die Schwester und zwei Brüder meiner Mutter ... Aber ich habe die Hoffnung, dass der Großteil der jungen Generation bereit sein wird, mitzuhelfen, die tiefen Wunden zu heilen und zu verhüten, dass sich eine solche Barbarei wiederholen kann."