Von der Wiederansiedlung bis zur Vernichtung
Erst die rechtliche Gleichstellung der Juden ermöglichte nach fast vierhundert Jahren die Neuansiedlung von Juden in Tübingen. Leopold Hirsch aus Wankheim musste sich 1850 das Tübinger Bürgerrecht noch vor Gericht erkämpfen. Dennoch wuchs die neue Tübinger Gemeinde rasch. 1882 konnte sie eine Synagoge errichten. Juden hatten nun teil am wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Leben der Stadt. Ihr wirtschaftlicher Erfolg erleichterte ihre gesellschaftliche Integration.
Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg änderte sich das Klima in der Stadt wie an der Hochschule. Es kam zu judenfeindlichen Hetzereien und Misshandlungen. Mit Beginn des NS-Regimes beraubten gesetzliche Diskriminierung, soziale Ächtung und wirtschaftlicher Boykott schrittweise die Juden ihrer bürgerlichen Existenz und zwangen sie in die Emigration. 1937 zählte die Gemeinde, die 1932 noch 127 Mitglieder hatte, nur noch 25 Personen. Nach dem Novemberpogrom 1938 ("Reichskristallnacht") betrieben sie verstärkt ihre Ausreise. Dafür mussten sie ihren Besitz weit unter Wert verkaufen. 14 Juden und Jüdinnen gelang die Flucht nicht mehr. Sie wurden 1941 und 1942 nach Riga, Auschwitz und Theresienstadt deportiert. Nur zwei von den Tübinger Juden - aus anderen Orten deportiert - überlebten die Vernichtungslager. Ein Emigrant kehrte 1958 aus Israel nach Tübingen zurück, wo er 1981 starb.