Josef Wochenmark (1880-1943)
Josef Wochenmark war von Herbst 1925 bis Ende 1934 der Vorsänger der jüdischen Gemeinde Tübingen-Reutlingen. Er wurde 1880 im österreichischen Rozwadow geboren. Mit seiner Frau Bella und den beiden Söhnen Alfred (geboren 1917) und Arnold (geboren 1921) wohnte er in der Wöhrdstraße 23. Heute steht dort das Neckarparkhaus.
Josef Wochenmark leitete in der Synagoge in der Gartenstraße die Gottesdienste am Sabbat und den hohen jüdischen Feiertagen. Außerdem kümmerte er sich um die Seelsorge und erteilte Religionsunterricht für die jüdischen Schüler. Obwohl Josef Wochenmark orthodox eingestellt war, gab er der liberalen jüdischen Gemeinde wichtige Impulse als er beispielsweise das Orgelspiel einführte und die getrennte Sitzordnung für Frauen und Männer aufhob.
Auf die weltliche und religiöse Bildung legte die Familie großen Wert. Josef Wochenmark besuchte auch die philosophischen Seminare von Prof. Wilhelm Hauer und schrieb eine Dissertation über „Die Schicksalsidee des Judentums“, die er im März 1933 mit der Promotion abschloss.
Über den zunehmenden Antisemitismus in Tübingen zeigte er sich sehr erschüttert. 1934 zog die Familie Wochenmark nach Schwäbisch Gmünd und erlebte dort schwierige Jahre unter wachsendem Verfolgungsdruck. Nach der Auflösung der jüdischen Gemeinde wurde Josef Wochenmark im Januar 1940 nach Stuttgart versetzt und zum orthodoxen Rabbiner ernannt.
Nach dem Scheitern aller Emigrationsversuche saßen Josef und Bella Wochenmark in Stuttgart in der Falle, die Ghettoisierung als Vorstufe der Shoah spitzte sich zu: Hunger, Isolation, Ausgehverbote und das Tragen des Judensterns beherrschten den Alltag. Als das Ehepaar Wochenmark im März 1943 die Aufforderung zur Deportation erhielt, versuchten sie, ihr Leben durch Freitod zu beenden. Während Josef Wochenmark starb, überlebte seine Frau schwerverletzt und wurde in die deutschen Vernichtungslager verschleppt und ermordet.
Text: Ulrike Baumgärtner und Martin Ulmer; erschienen im Schwäbischen Tagblatt am 8. November 2008.