Hanna Bernheim (1895-1990)
Hanna Bernheim (geborene Bach) kam 1895 als Tochter eines vermögenden jüdischen Kaufmanns in Augsburg zur Welt. In der ehemaligen Reichsstadt verbrachte sie ihre Kindheit und Jugend, genoss eine ausgezeichnete schulische Ausbildung, wie sie damals für „höhere Töchter“ üblich war. Ein berufliches Betätigungsfeld fand sie zunächst als Kindergärtnerin, später bis 1921 in einer städtischen Sozialfürsorgestelle.
Die Heirat mit dem aus Hechingen stammenden Fabrikanten Adolph Bernheim führte sie nach Bronnweiler, wo der Ehemann ein großes Textilunternehmen betrieb. Im April 1923 kam die Tochter Doris auf die Welt, im August 1924 der Sohn Hans.
Um ihren Kindern eine bessere Schulbildung ermöglichen zu können, zogen die Bernheims 1930 nach Tübingen. Ihr Haus auf dem Österberg wurde bald zu einem gastfreundlichen Treffpunkt für die Tübinger Juden – Hanna Bernheim war ab 1936 Vorsitzende des Jüdischen Frauenvereins – und für die Nachbarn, zu denen man gute Beziehungen pflegte.
Daran änderte, wie Hanna Bernheim in ihren Lebenserinnerungen ausführlich beschreibt, zunächst auch die Machtübernahme der Nazis relativ wenig, die Kinder blieben in der Schule anfänglich unbehelligt. Noch 1935 beschied man Bekannten, die fragten, warum man denn nicht daran denke, nach Palästina auszuwandern, man wolle in der Heimat bleiben: „Wir sind Deutsche von Nationalität und Juden aus Religion, wie ihr Christen seid“.
Doch blieb die Familie von Diskriminierungen schließlich nicht verschont. 1937 entschloss man sich, Doris in einem englischen Internat unterzubringen. Im März 1938 musste das Bronnweiler Unternehmen, im Juli 1938 das Tübinger Haus verkauft werden. Einer Verhaftung im Anschluss an das Novemberpogrom 1938 entging Adolph Bernheim nur knapp. Eine Auswanderung wurde, um Schlimmerem zu entgehen, unausweichlich. Im Juli 1939 gelang im letzten Augenblick, unter dramatischen Umständen, ausgeplündert und unter Aufgabe der gesamten Habe, der Familie die Flucht aus dem Nazi-Deutschland.
Hanna Bernheim, 43 Jahre alt, musste alles zurücklassen, was bislang ihre Existenzgrundlage bildete. Beim Einstieg in das Flugzeug wurden ihr noch Teile ihres Handgepäcks abgenommen.
Schwer war der Wiederbeginn in der Fremde, lange dauerte es bis die USA zur zweiten Heimat wurden. Doch Augsburg, die Stadt ihrer Kindheit und Jugend, und Tübingen, das „liebe alte Städtchen“ blieben unvergessen. Der Kontakt zu alten Freundinnen in beiden Städten blieb lebenslang bestehen.
Mit Tübingen verband sie nach dem Krieg nicht nur die Erinnerung an die einstige Zeit, sondern auch das Grab der Mutter auf dem Wankheimer Friedhof und die Korrespondenz mit Lilli Zapf, aus der sich eine Freundschaft entwickelte.
Am 4. Februar 1990 ist Hanna Bernheim in den USA verstorben. Ihre beiden in Tübingen geborenen Kinder lassen den Kontakt zu Tübingen nicht abreissen. Ihre Tochter Doris, samt einer ihrer beiden Töchter und einer Enkelin sind derzeit in Tübingen zu Besuch.
Text: Wilfried Setzler, erschienen im Schwäbischen Tagblatt am 7. November 2008.