Max Löwenstein (1874-1944)
„Bei uns in Tübingen wird es so schlimm schon nicht werden“, sagte Max Löwenstein 1937 zu seinen Kindern Walter und Elfriede, die bereits nach Israel emigriert waren und die er das erste und einzige mal dort besuchte. Sein Sohn Siegfried hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits in die USA retten können.
Max Löwenstein, seine Frau Sofie und die Tochter Ilse blieben in Tübingen. Der Besuch in Palästina wäre eine Gelegenheit, eine letzte, eine greifbare Chance gewesen, Deutschland zu entfliehen. Doch Frau und Tochter wollte Max Löwenstein nicht zurücklassen. Außerdem glaubte er. Tief und fest. An Besserung, an Vernunft, an Menschlichkeit, an Gott. Ab dem Jahr 1939 versuchte die Familie dann Nazideutschland zu verlassen, dem Terror zu entkommen. Doch die Ausreise sollte nicht gelingen. Und es wurde schlimm. Auch bei uns in Tübingen.
1942 werden Max und Sofie Löwenstein von Tübingen aus nach Theresienstadt gebracht. Max Löwenstein stirbt dort am 5. Juni 1944. 1943 kommt die Tochter Ilse Löwenstein von Stuttgart aus mit ihrem Mann Oscar Bloch nach Theresienstadt. Gemeinsam mit ihrer Mutter wird sie im Herbst 1944 nach Auschwitz weiterdeportiert und dort ermordet.
Der Viehhändler Max Löwenstein wird 1874 in Rexingen geboren. 1903 heiratet er die Tochter des Viehhändlers Heinrich Liebmann. 1908 kommt die Familie nach Tübingen und zieht in den Gasthof König ein. Mit seinem Bruder Emil führt Max Löwenstein dort die Viehhandlung Gebrüder Löwenstein, 1925 zieht das Geschäft in die Hechinger Straße 9 um.
Bereits Mitte der zwanziger Jahre mehren sich die antisemitischen Vorfälle. Löwensteins werden bei der Vergabe der Gesundheitszeugnisse ihrer Tiere schikaniert, mit falschen Seuchenverdächtigungen wird versucht, Ruf und Reputation zu ruinieren. Der reichsweite Boykott jüdischer Geschäfte vom 1. April 1933 trifft auch die Viehhändler, trifft auch die Löwensteins. Bauern kaufen nur noch heimlich, in den späten Abendstunden und unter Angst vor Denunziationen. Die Verdienste gehen zurück. 1937 muss Max Löwenstein seine Viehhandlung aufgeben. Max und Sofie Löwenstein verkaufen ihr Geschäft mit erheblichem finanziellem Verlust an den Tübinger Bäckermeister Christian Lieb.
Text: Simone Sterr; erschienen im Schwäbischen Tagblatt am 4. November 2008.