2012 bis 2016: Sanierung des Rathauses am Marktplatz
Meldung vom 18.11.2015
In den Jahren 2012 bis 2015 hat die Universitätsstadt Tübingen das Rathaus am Marktplatz umfassend saniert. Die Sanierung orientierte sich an historischen Originalzuständen und musste Denkmalschutz, Brandschutz und Klimaschutz unter einen Hut bringen – keine leichte Aufgabe, zumal das Haus, das über 500 Jahre alt ist, einige Überraschungen bereithielt. Die Kosten liegen bei rund elf Millionen Euro. Im ersten Halbjahr 2016 folgte die Sanierung der Rathausfassade.
Ungeahnte Herausforderungen
Frühere Renovierungsarbeiten hatten konstruktive Schäden in der Statik des Tübinger Rathauses verursacht. Eine böse Überraschung erlebten die Bauleute beispielsweise, als sie die Holzverkleidung einer mittelalterlichen Säule im Erdgeschoss entfernten: Eine 50 Jahre alte Stahlstütze hatte das darunter liegende mittelalterliche Fundament gespalten. Zudem hatte sich der gescheckte Nagekäfer durch die bauzeitliche Eichenstütze gefressen, sodass sie die Last nicht mehr lange hätte tragen können. Für die Sanierung musste das Haus in diesem Bereich angehoben und wieder abgesenkt werden.
Öffnung nach außen
Vor der Sanierung empfing ein enger dunkler Flur die Gäste, heute ist durch den Abriss der Trennwände ein lichtdurchflutetes Foyer entstanden. Ähnlich wie vor 500 Jahren öffnet sich das Erdgeschoss zum Marktplatz hin. Auch in den übrigen Stockwerken sorgen neue Fenster mit klaren Scheiben für mehr Transparenz. Im Treppenhaus wurde die überdimensionale Strukturverglasung durch gegliederte Fenster ersetzt. In vielen Räumen schmückt jetzt lokaler Naturstein den Boden, außerdem hat das Rathaus einen barrierefreien Zugang bekommen.
Gut fürs Klima
Mit der Sanierung wird der CO2-Ausstoß halbiert. Dafür sorgt unter anderem ein hocheffizientes Blockheizkraftwerk im Keller, das auch umliegende Gebäude mit Wärme versorgen kann. Erneuert wurde die gesamte Haustechnik. Dies war der größte Kostenblock der Sanierung, doch die Energiekosten werden künftig kräftig sinken. Die neuen Fenster haben bessere Dämmeigenschaften, dazu kommen ein energiesparendes LED-Beleuchtungskonzept und eine neue Lüftungsanlage.
Wiederentdeckt: der Hofgerichtssaal
Wo sich heute einer der schönsten historischen Räume des Rathauses befindet, gab es vor der Sanierung fünf Büros und einen Vorraum. Erbaut wurde der Hofgerichtssaal um 1496. Ein zweigeschossiges Hängewerk ersetzt jetzt die Stahlträger, die mitten im Raum standen, um die Decke zu stützen. Die neue Wandbemalung ist die Rekonstruktion einer Fassung aus den 1920er-Jahren, die beim Abriss der Bürowände gefunden worden ist.
Schwere Last im Dachgeschoss
Im Dachgeschoss befand sich vor der Sanierung das Stadtarchiv. Akten, Bücher und historisches Schriftgut waren viel zu schwer für das Gebäude. Statiker hatten ausgerechnet, dass die Decken darunter für 150 Kilonewton pro Quadratmeter ausgelegt waren, tatsächlich jedoch mit 600 Kilonewton pro Quadratmeter belastet waren. Auch das war ein triftiger Grund, nicht länger mit der Sanierung zu warten. Erste Schäden waren bereits an der Fassade sichtbar. Im Frühjahr 2016 wird dort die historische Bemalung restauriert.
Gelebte Demokratie: der Ratssaal
Herzstück des Rathauses und Zentrum der kommunalen Demokratie ist der große Saal im ersten Stock, in dem der Gemeinderat tagt. Eine dunkle Decke, schwere Möbel, mangelhafte Isolierung und fehlende Kommunikationstechnik hatten die Debatten erschwert. Im Zuge der Sanierung wurden Fußboden und Decke erneuert. Weiße, leichte Tische im Halbrund sorgen heute für einen reizvollen Kontrast zu den schweren Eichenstützen und erleichtern die Kommunikation. WLAN und moderne Projektionstechnik sowie eine gute Ausleuchtung gehören ebenfalls zur neuen Ausstattung.
Detailreiche Fassadenbemalung
Ein Team von bis zu elf Restauratorinnen und Restauratoren hat die Fassade behutsam gereinigt, Schäden ausgebessert und, wo nötig, in Abstimmung mit dem Denkmalamt ergänzt. Ziel war es, weitere Schäden abzuwenden und dabei dem Originalzustand der Fassadenmalerei von 1876 möglichst nahe zu kommen. Nun treten etliche Details zum Vorschein, die im Lauf der Jahre verblasst oder beschädigt waren. Weitere Informationen zur Sanierung der Fassade enthält eine städtische Pressemitteilung vom 15. Juli 2016.