Benennung von Straßen
Straßennamen sind Teil des kollektiven Gedächtnisses einer Stadt. Denn wonach Straßen benannt werden, hängt von den aktuellen Verhältnissen, der Weltanschauung und Kultur und den Herrschaftsverhältnissen der entsprechenden Zeit ab. Historische Personen, Orte und Ereignisse werden zu unterschiedlichen Zeiten verschieden bewertet. Für die Universitätsstadt Tübingen hat der Gemeinderat am 9. März 2023 folgende Grundsätze der Straßenbenennung beschlossen:
Präambel
Straßennamen und Hausnummern dienen der Orientierung und der Auffindbarkeit aller Liegenschaften sowie der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Im Stadtgebiet Tübingen sind daher alle Straßen und öffentliche Plätze (künftig „Straßen“ genannt) mit Anwohnerinnen und Anwohner oder bei denen es ein sonstiges Interesse zur Benennung gibt zu benennen.
I. Zuständigkeiten
- Über die Benennung von Straßen entscheidet gemäß § 5 Abs. 4 Gemeindeordnung der Gemeinderat. Liegt die Straße auf der Gemarkung eines Teilorts, entscheidet gemäß § 16 Abs. 3 Ziffer 2 der Hauptsatzung der Universitätsstadt Tübingen der jeweilige Ortschaftsrat.
- Der Fachbereich Kommunales hat die Federführung beim förmlichen Verfahren und bei der Beteiligung der Bürgerschaft zur Benennung und Umbenennung von Straßen.
- Der Fachbereich Kunst und Kultur führt ein Verzeichnis der zur Straßenbenennung vorgeschlagenen Personen (Vorschlagsliste). Der Fachbereich Kunst und Kultur prüft und bewertet Vorschläge, die auf die Vorschlagsliste aufgenommen werden sollen. Insbesondere ist dabei zu prüfen, ob eine vorgeschlagene Person in Geschehnisse, die gegen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen verstoßen, verstrickt ist oder aktiv bei sonstigen menschenverachtenden Taten mitgewirkt hat.
- Der Fachbereich Kunst und Kultur führt eine Straßennamensdatei mit Namenserläuterungen sowie weiteren historischen Informationen.
- Der Fachbereich Vermessung und Geoinformation ist zuständig für die administrativen Angelegenheiten im Rahmen von Straßenbenennungen. Der Fachbereich legt die Abgrenzung der zu benennenden Straßen- oder Platzfläche (Benennungsbereich) fest, vergibt die kommunalen Straßenkennziffern und beauftragt, sobald die Benennung oder Umbenennung einer Straße rechtskräftig ist, die Kommunalen Servicebetriebe mit dem Aufstellen der Straßenschilder.
- Soweit erforderlich sind Straßennamen durch entsprechende Zusatzschilder zu erläutern. Für die textliche Gestaltung ist federführend der Fachbereich Kunst und Kultur zuständig. Bei Straßen, die nach Personen benannt sind, werden grundsätzlich Zusatzschilder angebracht.
II. Verfahren
- Im Vorfeld der Benennung einer Straße erfolgt durch den Fachbereich Kommunales ein öffentlicher Aufruf, Vorschläge einzureichen. Dies kann auch in Form eines Wettbewerbs erfolgen.
- Die Verwaltung stellt die Vorschläge zusammen, prüft sie und gibt eine Einschätzung ab.
- Eine Kommission aus Mitgliedern der Verwaltung, des Integrationsrats und des Gemeinderats, handelt es sich um eine Benennung in einem Teilort, des Ortschaftsrats, erarbeitet auf Grundlage der eingereichten Vorschläge einen Beschlussvorschlag für das zuständige Gremium. Die Kommission kann durch die Verwaltung oder durch Antrag des zuständigen Gremiums um weitere Mitglieder ergänzt werden.
- Der Beschluss des zuständigen Gremiums über die Benennung einer Straße ist so zu dokumentieren, dass jederzeit nachvollzogen werden kann, warum die Straße wie beschlossen benannt wurde. Dabei ist auch das Verfahren zu beschreiben.
- Soll eine Straße umbenannt werden, erfolgt zunächst ein Grundsatzbeschluss durch das zuständige Gremium, dass ein Umbenennungsverfahren eingeleitet werden soll. Dabei sind die Anliegerinnen und Anlieger (Eigentümerinnen und Eigentümer, Anwohnerinnen und Anwohner) zu hören, wie sie zu einer Umbenennung stehen und ob sie ggf. Vorschläge für einen neuen Namen haben. Bevor das zuständige Gremium eine abschließende Entscheidung über einen neuen Namen trifft, sind die Anliegerinnen und Anlieger erneut zu hören, um sich zu den vorgeschlagenen Namen äußern zu können.
- Wird eine Straße umbenannt, erhalten die Anliegerinnen und Anlieger gegen Antrag die ihnen durch die Umbenennung entstandenen Kosten durch die Stadt erstattet.
III. Grundsätze der Straßenbenennung
- Die Anzahl der Straßennamen ist möglichst gering zu halten. Jeder Straßenname darf nur einmal vorkommen.
- Der Straßenname soll möglichst klar und einprägsam sein. Gleichklingende Namen, die zu Verwechslungen führen, sind zu vermeiden. Für die Schreibweise der Namen gelten die Regeln der deutschen Rechtschreibung.
- Entsprechend der Bedeutung, der Lage und dem Charakter der Straße sollen neben den allgemeinen Bezeichnungen „Straße“ oder „Platz“ auch Bezeichnungen verwendet werden, die deutlich machen, um welche Art Straße es sich handelt („Ring“, „Allee“, „Weg“ etc.).
- Zusammenhängende Gebiete sollen durch zusammenhängende Namensgebiete, etwa die Verwendung von Namen einer bestimmten Thematik oder artverwandter Begriffe, dokumentiert werden, da hierdurch die Orientierung erleichtert wird. Vorhandene Namensgebiete sind zu beachten und gegebenenfalls zu erweitern.
- Durch die Bebauung fortfallende Flur- oder sonstige historische Bezüge sollen nach Möglichkeit in der Straßenbenennung berücksichtigt werden.
- Die Benennung nach unspezifischen Motiven (bspw. nach Tieren oder Pflanzen) soll vermieden werden, insofern es sich nicht um eine Benennung in einem Gebiet handelt, bei dem die vorhandenen Straßen bereits entsprechend benannt sind.
- Benennungen nach Firmen sollen nur in historisch begründeten Ausnahmefällen erfolgen.
IV. Grundsätze für die personenbezogene Straßenbenennung
- Die Benennung von Straßen nach Personen stellt eine besondere Würdigung von deren Verdienste oder Lebensleistung auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Gebieten dar.
- Eine Benennung nach Persönlichkeiten erfolgt grundsätzlich und in angemessener Frist, in der Regel mindestens fünf Jahre, nach dem Ableben der Namensgeberin oder des Namensgebers. Dabei ist das Einverständnis der Angehörigen einzuholen.
- Die durch die Benennung zu ehrende Person soll einen Bezug zu Tübingen oder der Region haben.
- Frauen sind bisher bei der Benennung der Straßen im Stadtgebiet nicht angemessen vertreten. Bei der Benennung von Straßen ist daher darauf zu achten, das Ziel einer angemessenen Repräsentation zu berücksichtigen.
- Die Diversität der Universitätsstadt Tübingen soll bei der Benennung von Straßen berücksichtigt werden.
- Bei der Benennung wird sowohl der Vor- als auch der Nachname verwendet. Auf Titel, akademische Grade oder andere Namenszusätze wird verzichtet.