Wilhelm-Schussen-Weg
Wilhelm Schussen (1874–1956)
benannt 1956
Wilhelm Schussen wirkte seit 1880 als Lehrer an verschiedenen Orten in Württemberg. Seit 1907 betätigte er sich außerdem als Autor zahlreicher Romane, Essays und Gedichte, oft mit ausgeprägtem schwäbischen Heimatbezug. Nach dem Ersten Weltkrieg, den er im Sanitätsdienst erlebte, war er vorübergehend Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei (DDP). Nach 1933 wandte er sich schnell dem Nationalsozialismus zu, unter anderem als Mitunterzeichner des Gelöbnisses „treuester Gefolgschaft“ für Adolf Hitler. Er wurde Mitglied in der Reichsschrifttumskammer und der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), jedoch nicht in der NSDAP. 1937 zog er nach Tübingen um, wo er Mitglied des Schwäbischen Dichterkreises wurde. 1940 publizierte er eine Lobeshymne auf Hitler. Finanzielle Unterstützung erhielt er in dieser Zeit vom Reichspropaganda-Ministerium und der Gauleitung Württemberg. Sein vormaliger Freund Hermann Hesse warf Schussen nach dem Krieg vor, er habe sich willig vom NS-Regime vereinnahmen lassen. Dennoch durchlief Schussen das Entnazifizierungsverfahren ohne Sanktionen und unter Beibehaltung seines Ehrensolds. Nur wenige Monate nach seinem Tod im April 1956 ehrte ihn die Stadt Tübingen mit einem Straßennamen.
Schussens ethische Verfehlung liegt darin, sich 1933 unkritisch und aus eigenem Antrieb auf die Seite der Nationalsozialisten geschlagen zu haben. Dass er mit seiner kranken Frau und seinen Kindern offenbar finanziell von dessen Almosen abhängig war, erklärt seine Parteinahme für das NS-Regime bis in den Krieg hinein. Es entlastet ihn aber nicht von seiner diesbezüglichen Verantwortung. Dass seine Erzählung „Die Geschichte des Apothekers Johannes“ – wie er im Entnazifizierungsverfahren angab – vom Reichszentrallektorat 1936 auf die „öffentliche schwarze Liste der nicht zu empfehlenden Bücher“ gesetzt wurde, macht ihn nicht zu einem Opfer des NS-Regimes. Andererseits lässt sich Schussen mit Blick auf seine überwiegend unpolitische literarische Produktion auch kaum als geistiger Wegbereiter und Helfer des Nationalsozialismus bezeichnen. Ein vorsätzliches Handeln zum Schaden anderer ist nicht überliefert.