Schmitthennerweg
Paul Schmitthenner (1884–1972)
benannt 1976
Der Architekt Paul Schmitthenner war von 1918 bis 1945 Professor an der Technischen Hochschule Stuttgart und als Fürsprecher des sogenannten Heimatstils einer der profiliertesten Gegner des funktionalen Neuen Bauens. Von 1931 an betätigte er sich als Mitglied des „Kampfbunds für deutsche Kultur“, der mit seinen völkisch-antisemitischen Positionen Einfluss auf das Kulturleben in Deutschland nehmen sollte. Schmitthenner war außerdem Mitunterzeichner des Wahlaufrufs „Deutsche Geisteswelt für den Nationalsozialismus“ vom Juli 1932. 1933 wurde er Mitglied der NSDAP, 1934 Mitglied der Reichskammer der bildenden Künste. Vorübergehend galt Schmitthenner als der kommende Chefarchitekt des Dritten Reichs, musste dann aber den Vertretern eines monumentalen Klassizismus wie Albert Speer den Vortritt lassen und geriet auf das politische Abstellgleis. Dennoch wurde er 1944 von Joseph Goebbels in die erweiterte Fassung der sogenannten Gottbegnadeten-Liste aufgenommen. Während des Zweiten Weltkriegs plante der gebürtige Elsässer Schmitthenner verschiedene Projekte im faktisch annektierten Elsass.
1944 siedelte Schmitthenner in einen Seitenflügel des Schlosses Kilchberg um, wo er bis kurz vor seinem Tod 1972 lebte. Nach Kriegsende wurde Schmitthenner seiner Ämter enthoben, dann aber als „unbelastet“ eingestuft. Eine Wiedereinsetzung als Professor blieb ihm jedoch versagt. Trotz seiner zweifelhaften Rolle in der NS-Zeit wurden ihm in den nachfolgenden Jahren zahlreiche fachliche und politische Ehrungen zuteil, darunter die Ehrenbürgerwürde in Kilchberg, wo er sich als Architekt und Mäzen großer Beliebtheit erfreute.
Die Biografie Schmitthenners ist von Widersprüchen geprägt. Zweifellos war Schmitthenner ein ausgezeichneter Architekt und charismatischer Hochschullehrer, aber auch ein früher öffentlicher Unterstützer des Nationalsozialismus. Schwer wiegt seine Mitarbeit im „Kampfbund“, aber auch seine mangelnde Unterstützung für den 1933 wegen seiner jüdischen Abstammung entlassenen Geschäftsführer des Deutschen Ausland-Instituts in Stuttgart, Fritz Wertheimer. Wenngleich Schmitthenner im NS-Staat schnell gegenüber anderen Architekten ins Hintertreffen geriet, ließ ihn das nicht grundsätzlich vom Nationalsozialismus abrücken. Er beteiligte sich aktiv an den nationalsozialistischen „Wiederaufbau“-Planungen im Elsass, setzte sich aber gleichzeitig erfolgreich für das Leben von mehreren zum Tode verurteilten jungen Elsässern ein. Nach 1945 hat er sich im Gegensatz zu vielen anderen immerhin zu seiner Unterstützung des Nationalsozialismus bekannt.