Isoldenstraße
Isolde Kurz (1853–1944)
benannt 1929
Die 1853 geborene und in Tübingen aufgewachsene Isolde Kurz erlangte seit den 1880er Jahren als Schriftstellerin Bekanntheit durch die Publikation von Gedichten, Erzählungen, Novellen und Familienerzählungen mit ausgeprägten lokalen und regionalen Bezügen zu ihrer Heimat. Als erste Frau erhielt sie 1913 die Ehrendoktorwürde der Universität Tübingen. Trotz ihres nationalistischen Weltbilds trat sie noch in den frühen 1930er Jahren als Mitunterzeichnerin von Aufrufen gegen Antisemitismus und Krieg sowie für die Verständigung zwischen Frankreich und Deutschland in Erscheinung. Dennoch versuchten die Nationalsozialisten seit 1933, sie für ihre Kulturpropaganda zu vereinnahmen. Isolde Kurz wurde Mitglied in der Preußischen Akademie der Künste, der Deutschen Akademie der Dichtung und der Reichskulturkammer. Auch dem 1938 vom württembergischen Reichsstatthalter Wilhelm Murr gegründeten Schwäbischen Dichterkreis gehörte sie an. In Neuauflagen ihrer Schriften strich oder ersetzte sie nach entsprechender Aufforderung der Reichsschrifttumskammer die Namen jüdischer Personen. Ihren Höhepunkt erreichte ihre Annäherung an das NS-Regime mit einer Eloge zum 50. Geburtstag Adolf Hitlers im Jahr 1939. Zu ihrem 90. Geburtstag ließ sie sich 1943 von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels mit der Goethe-Medaille ehren.
Aus Sicht der Kommission wirken die Schriften von Isolde Kurz mit ihrem nationalistischen, bisweilen völkisch akzentuierten Weltbild heute aus der Zeit gefallen. Kurz lässt sich aber, auch angesichts ihres pazifistischen und gegen Antisemitismus gerichteten Engagements der Zwischenkriegszeit, nur schwerlich als Wegbereiterin nationalsozialistischen Gedankenguts interpretieren. Eine 1905 getätigte Äußerung, die als Zustimmung zu eugenischen Positionen gedeutet werden könnte, ist zu früh, zu unbestimmt und zu isoliert, um in Kurz eine Vorläuferin nationalsozialistischer „Rassenhygiene“ und „Euthanasie“ sehen zu können. Als dezidierte Gegnerin der Demokratie betätigte sie sich nicht. Die Stadt Tübingen ehrte die Dichterin mit dem Straßennamen bereits 1929 und damit deutlich vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Dass Kurz seit 1933 von den Nationalsozialisten vereinnahmt wurde, geschah ohne besonderes Zutun der damals bereits hochbetagten Schriftstellerin. Als Gegnerin des Nationalsozialismus lässt sie sich allerdings ebenfalls nicht bezeichnen.
Die Isoldenstraße ist die erste Straße Tübingens, die nach einer Frau benannt wurde.