Doblerstraße
Theodor Dobler (1893–1973)
benannt 1945
Theodor Dobler wurde nach seinem Medizinstudium und seinem Einsatz im Ersten Weltkrieg zunächst Hausarzt in Schorndorf. Vor 1933 war er nach eigenen Angaben Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei (DDP). 1933 wurde er Mitglied der Nationalsozialistischen Kriegsopferversorgung (NSKOV), der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) und des Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebunds (NSDÄB). 1939 wurde er zur Wehrmacht eingezogen. 1941 wurde er Standortarzt in Baden-Baden, dann aber als Chefarzt ins Reservelazarett Lemberg (Lwiw) versetzt. Ab Herbst 1943 war er Oberfeldarzt auf dem Sand in Tübingen.
Seiner eigenen Darstellung nach trug er entscheidend dazu bei, dass die Tübinger Innenstadt zum Lazarettsperrbezirk erklärt und im April 1945 kampflos an französische Truppen übergeben wurde. Der neue Oberbürgermeister Viktor Renner ehrte ihn noch im Juni 1945 mit einem Straßennamen. Bereits von Zeitgenossen wurde Widerspruch zu Doblers Version der Geschehnisse vom April 1945 geäußert, wenngleich niemand seinen Beitrag zur „Rettung Tübingens“ grundsätzlich infrage stellte. Insbesondere ging es um die Frage, inwieweit Dobler allein gehandelt und sich dezidiert gegen Befehle aus Militär und Partei gestellt hatte. Bei der Recherche durch die Kommission stellte sich heraus, dass Dobler – entgegen eigener Angaben im Tübinger Entnazifizierungsverfahren vom Oktober 1945 – im Juli 1939 die Mitgliedschaft in der NSDAP beantragt hatte und von dieser seit Juni 1940 als Mitglied geführt wurde. Der französischen Militärregierung und den Behörden in Tübingen war dieser Sachverhalt nicht bekannt. Allerdings wurden Doblers Falschaussagen bei einem zweiten Entnazifizierungsverfahren aufgedeckt.
Angesichts der neuen Quellenfunde drängt sich der Verdacht auf, dass Dobler die Erzählung von der kampflosen Übergabe der Stadt Tübingen gezielt zur Verschleierung seiner Parteimitgliedschaft nutzte. Seine Selbststilisierung zum „Retter Tübingens“ brachte ihm ein hohes moralisches Ansehen gegenüber den französischen Besatzern und der Tübinger Bevölkerung ein. Sie trug daher auch entscheidend dazu bei, dass Dobler im Oktober 1945 zum Leiter der Abteilung Gesundheitswesen in der Landesdirektion des Innern berufen und zum Präsidenten der kommissarischen Ärztekammer Südwürttemberg ernannt wurde. Dobler gewann dadurch wesentlichen Einfluss auf den Wiederaufbau des Gesundheitssystems und die Entnazifizierung der Ärzteschaft in Südwürttemberg und der Bundesrepublik. Doblers verheimlichte Mitgliedschaft in der NSDAP rückt den vermeintlichen Neuanfang im Gesundheitswesen daher in einen Graubereich.