Albrechtstraße
Albrecht Maria Alexander Philipp Joseph Herzog von Württemberg (1865–1939)
benannt 1916
Herzog Albrecht von Württemberg diente im Ersten Weltkrieg als Oberbefehlshaber der Vierten Armee, die an der Westfront in Flandern eingesetzt wurde. Im Einsatzgebiet der Armee fand am 22. April 1915 bei Ypern der erste großflächige Giftgasangriff mit Chlorgas statt. Aus historischer Perspektive markierte dieser Einsatz den Übergang zu einer neuen Form der Kriegführung mit Massenvernichtungswaffen.
Die meisten Zeitgenossen waren sich der einschneidenden Bedeutung dieser Entwicklung wohl kaum bewusst. Die Armeeführung handelte hingegen nachweislich mit Kalkül und im Wissen um die verheerenden Wirkungen von Giftgas. Mehrere andere an der Westfront eingesetzte Oberbefehlshaber wie Kronprinz Rupprecht von Bayern sperrten sich aus dezidiert moralischen Gründen gegen eine Verwendung von Giftgas, von der sie außerdem eine gegnerische Vergeltung mit gleichen Mitteln befürchteten.
Herzog Albrecht stimmte jedoch am 25. Januar 1915 nachweislich zu, dass im Einzugsbereich seiner Vierten Armee liegenden Ypernbogen Chlorgas eingesetzt wurde. Der Angriff selbst wurde zwar von Generalmajor Emil Ilse und General Berthold von Deimling befehligt. Er hätte jedoch ohne die Zustimmung des Oberbefehlshabers Herzog Albrecht nicht stattfinden können. Nach einer journalistischen Darstellung aus dem Jahr 1919 gab Herzog Albrecht sogar persönlich „das Zeichen zum Angriff, als der Wind von den britischen Inseln herkam und Franzosen und Kanadiern ins Gesicht wehte.“
Im Januar 1916, ein knappes Jahr nach diesem Angriff, wurde Herzog Albrecht zusammen mit anderen „Namen unserer großen Heerführer“ vom Tübinger Gemeinderat mit einem Straßennamen geehrt. Die Ehrung wurde also explizit für seine vermeintlichen militärischen Verdienste vergeben und stand im Kontext der Militarisierung des öffentlichen Lebens während des Ersten Weltkriegs.
Die Kommission ordnete Albrecht den ethischen Problemfeldern Kriegsverbrechen und Militarismus zu und empfahl mehrheitlich, die Straße umzubenennen. Im Abschlussbericht heißt es: „Herzog Albrecht hat durch sein Handeln in verantwortlicher Position wesentlich dazu beigetragen, dass der Giftgasangriff in dieser Form stattfand und die Entgrenzung der Kriegführung vorangetrieben wurde“.
Der Gemeinderat lehnte eine Umbenennung der Straße ab und beschloss stattdessen eine Umwidmung der Straße zu Berty Albrecht (1893–1943). Berty Albrecht war eine Gegnerin des deutschen Nationalsozialismus und aktiv im französischen Widerstand (Résistance). Sie versteckte Verfolgte und wirkte an Publikationen mit, die im Untergrund entstanden. Berty Albrecht beging am 31. Mai 1943 Selbstmord im Gefängnis von Fresnes, um ihren Peinigern zu entgehen.