1672–1690: Johann Lorenz Kienlin
Johann Lorenz Kienlin lebte von 1605 bis 1690 und war zwischen 1672 und 1690 Bürgermeister Tübingens.
Johann Lorenz Kienlin gehörte zur „ehrbaren“ Tübinger Familie Kienlin, deren Mitglieder angesehene Handwerker, Pfarrer und städtische Amtsträger waren. Er war von circa 1672 bis zu seinem Tode 1690 einer der vier Bürgermeister Tübingens.
Kienlins Amtszeit fällt in eine schwierige Zeit der Stadtgeschichte. Tübingen war durch die Nachwirkungen des 30-jährigen Krieges (1618–1648) und mehrerer Pestepidemien schwer gezeichnet und hatte nur noch circa 4.000 Einwohner. Nun brachten weitere Kriege, wie der Reichskrieg 1674–1679, die Stadt in eine schwere Krise, die mit Verwahrlosung, Leerstand und großem Bedeutungsverlust Tübingens einhergingen. Auch die Universität war stark betroffen und geriet in den folgenden Jahrzehnten in Auflösungsgefahr.
In seine Bürgermeisterzeit fällt die Stiftung der nach ihm benannten Kienlin-Glocke in der Tübinger Jakobuskirche, die heute noch im Stiftskirchenturm Verwendung findet. Sein Großvater Stephan Kienlin (1500–1570) war ebenfalls Bürgermeister von Tübingen. Er stiftete das (heute verschollene) Holzepitaph in der Jakobuskirche. Solche Schenkungen an die Kirche sollten Gott gnädig stimmen, damit die Zeiten wieder besser werden würden – und damit die Stifter in den Himmel kämen. Die Familie Kienlin galt als wohltätig.
Inschriften auf dem Gemälde
Rechts unter dem Wappen
Johann Lorenz Kienlin
Seins Alters 66 Jahr
Anno 1671
Links
Johann Lorentz Kienlin
Bürger Meister
Gebohren Anno 1605 d 20 Märtz
Alters 71 Jahr
starb 1676 den 9 May
Funfacts
Der Name „Loren(t)z“ ist auf demselben Bild zweimal unterschiedlich geschrieben.
Das Todesjahr war laut anderer Quellen 1690 – die Inschrift links ist falsch (wahrscheinlich deutlich später angebracht).
Ehrbarkeit
Die „Ehrbarkeit“ war eine kleine Gruppe von wohlhabenden Tübinger Familien, die politisch bei der Regierung und Verwaltung der Stadt mitarbeiten durften und dadurch auch etwas mitbestimmen konnten. Sie bildeten eine kleine, elitäre Gruppe, aus deren Reihen einzelne Männer Ämter in der städtischen Selbstverwaltung ausübten.
Im 18. Jahrhundert gehörten von 800 bis 900 Tübinger Familien nur circa 100 zu den „Ehrbaren“, die „rats- und gerichtsfähig“ waren. Sie bildeten einen abgeschlossenen Kreis und waren viel wohlhabender als die anderen Tübinger Familien: Ihre kleine Gruppe versteuerte etwa so viel Vermögen wie alle anderen Familien zusammen.
Regiert wurde die Stadt aber bis 1885 vom Vogt, der vom Herzog beziehungsweise König von Württemberg eingesetzt wurde. Um zur Ehrbarkeit zu gehören, musste man einen „ehrlichen“ Beruf haben – das konnte auch ein Handwerker sein. Man musste das Bürgerrecht haben, Steuern zahlen und damit auch über ein Vermögen verfügen. Auch durch Heirat konnte man in eine ehrbare Familie aufsteigen.
Unter den Angehörigen dieser Familien wurde der Gemeinderat ausgewählt, der wiederum die städtischen Ämter bis hin zu den vier Bürgermeistern bestimmte. Die „rechnenden“ Bürgermeister im 16. und 17. Jahrhundert hatten drei Hauptaufgaben: Steuern und Rechnungen verwalten und den Fluss der Ammer kontrollieren.