1927–1939: Adolf Scheef
Gottlob Adolf Scheef lebte von 1874 bis 1944 und war zwischen 1927 und 1939 Oberbürgermeister Tübingens.
Gottlob Adolf Scheef wurde in Nürtingen geboren, wo er eine Ausbildung im Verwaltungsdienst machte. Ab 1901 arbeitete er dann in der Tübinger Stadtverwaltung. Gleichzeitig engagierte er sich auch politisch: Er wurde Mitglied des Gemeinderates und war 1918 Gründungsmitglied der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei. 1924 wurde er deren Fraktionsvorsitzender.
1927 wurde er zum Oberbürgermeister Tübingens gewählt. Wie sein kurz zuvor verstorbener Vorgänger Haußer setzte Scheef auf eine überparteiliche Regierung und eine verwaltungsorientierte Kommunalpolitik. Darum gab Scheef bei Amtsantritt sämtliche politischen Ämter in seiner Partei auf. Scheef erfreute sich großer Beliebtheit in Tübingen.
1933 ließen die Nationalsozialisten Oberbürgermeister Scheef – auch wegen dessen Beliebtheit bei der Bevölkerung – im Amt. Sie stellten ihm aber das NSDAP-Mitglied Ernst Weinmann als „1. Bürgermeister“ zu Seite.
Scheefs stetig zunehmende Kooperation und Unterordnung gegenüber dem immer weiter anwachsenden Unrechtsregime, die er bis zum Ende seiner Amtszeit 1939 fortsetzte, machen ihn zu einer umstrittenen Figur der Stadtgeschichte. So wurde ihm seine unter den Nationalsozialisten verliehene Ehrenbürgerwürde 2013 wieder aberkannt und 2017 die nach ihm benannte Straße auf dem Österberg in Fritz-Bauer-Straße umbenannt.
Bis heute gehen die Expertenmeinungen über die Bewertung der Rolle Scheefs während der NS-Zeit und über seine ideologischen Überzeugungen auseinander: Während die einen den Handlungsspielraum Scheefs nicht eindeutig geklärt sehen, bewerten die anderen ihn als gezielt handelnden NS-Kommunalpolitiker.
Für die erste These spricht, dass Scheef seit 1933 verstärkt unter der Kontrolle der Nationalsozialisten stand. Die von ihnen eingeführte Deutsche Gemeindeordnung (DGO) schloss die „gleichgeschalteten“ Gemeinderäte von jeder Beschlussfassung aus. Zudem wurde in der DGO die Instanz eines Beauftragten der Partei geschaffen, der den Stadtvorstand – das heißt den Oberbürgermeister – kontrollierte. Zunächst hatte der Kreisleiter Helmut Baumert dieses Amt inne, seit 1937 Kreisleiter Hans Rauschnabel. Das Amt des Ersten Beigeordneten, der die Amtsbezeichnung „Bürgermeister“ bekam, erhielt 1935 der stellvertretende Kreisleiter und langjährige Fraktionsvorsitzende der NSDAP, Ernst Weinmann.
In Scheefs Amtszeit fielen aber auch zahlreiche Entscheidungen im Sinne der Nationalsozialisten, die Scheef initiiert oder zumindest willfährig vollzogen hat. Darunter waren die Ansiedlung zahlreicher Parteieinrichtungen in Tübingen – unter anderem die SA-Motorsportschule, die Reichsbräute- und die Reichssanitätsschule, das Freibadverbot für alle Juden und „Fremdrassigen“, die Lösung aller städtischen Geschäftsverbindungen zu Firmen mit jüdischen Inhabern und zahlreiche öffentliche Huldigungen Adolf Hitlers und der NSDAP. Der Historiker Martin Ulmer bezeichnete Scheef deshalb als einen „nationalsozialistischen Oberbürgermeister ohne Parteibuch“. Denn zu einer NSDAP-Mitgliedschaft Scheefs wurde in den Archiven bisher nichts gefunden. Allerdings hat 2023 eine Infrarotaufnahme ein übermaltes Parteiabzeichen auf seinem Porträt von 1940 enthüllt.
Vom Enkel des jüdischen Gemeinderatmitglieds Simon Hayum ist folgende Erinnerung an Adolf Scheef überliefert: „Am 1. Februar 1939 verlassen Simon und Hermine Hayum Tübingen fluchtartig. Am Abend zuvor werden sie – wie ihr Enkel Reynold Koppel später schildert – von einem Anrufer mit verschleierter Stimme – vermutlich Oberbürgermeister Scheef – gewarnt, eine Verhaftung durch die Gestapo stehe unmittelbar bevor.“
Das Porträt
1940 wurden die Porträts der Oberbürgermeister Scheef, Gös und Haußer beim Maler Bernhard Schneider-Blumberg in Auftrag gegeben.